Illegale Pushbacks: An griechischer Grenze spielt sich Tragödie ab
Frankfurter Rundschau
Rund 60 Schutzsuchende aus der Türkei werden auf der griechischen Seite des Evros von bewaffneten Männern angegriffen. Eine Praxis, die nicht ungewöhnlich ist.
Thessaloniki - Die Botschaft ist deutlich. „Wir wurden in der Türkei unrechtmäßig vor Gericht gestellt, gefoltert und haben alle möglichen Formen von Tyrannei erlebt“, heißt es in einem Video. „Wir haben unsere Anklage-Akten und Haftbefehle dabei. Wegen dieser Folter beantragen wir von den griechischen Behörden Asyl.“ Seinen Appell beginnt der Türkeistämmige mit den Worten: „Heute ist der 22. Juni 2023, es ist Donnerstag.“
Der Mann gehört zu einer Gruppe von etwa 60 Schutzsuchenden aus der Türkei, die am Morgen über den Grenzfluss Evros ins griechische Orestiada geflüchtet sind. Mit dabei sind auch rund ein Dutzend Kinder und viele Frauen.
In einem anderen Video sieht man Männer mit Skimasken, die die Gruppen angreifen. Man hört laute Schreie von Kindern. Eine Frau sagt auf Türkisch: „Wir werden mit Messern angegriffen.“ Ein Mann ist zu hören: „Sie greifen an, sie greifen uns an!“ Man sieht auf einem weiteren Video deutlich, wie eine Gruppe der Maskierten auf die Gruppe zuläuft. Einige sind mit Messern bewaffnet. FR.de von IPPEN.MEDIA hatte im vergangenen Jahr exklusiv über die Auslagerung der Pushbacks in Griechenland an kriminelle Gruppen berichtet.
Menschenrechtler zeigen sich empört angesichts der Bilder. „Es ist ein Skandal, dass an den Außengrenzen Europas Kriminelle von griechischen Behörden eingesetzt werden, um Menschen zu schikanieren, ihnen Angst einzujagen und zu berauben, damit sie nicht mehr kommen und weiter über Griechenland Schutz suchen“, sagt Kamal Sido, der Nahost-Referent bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) im Gespräch mit FR.de.
Ähnlich sieht es auch Dr. Kerem Schamberger, Referent für Flucht und Migration bei der Menschenrechtsorganisation medico international. „Zusammen mit unseren Partnerorganisationen vor Ort beobachten wir seit einigen Jahren eine massive Brutalisierung an den EU-Außengrenzen, vor allem auch an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Es gebe sogar Informationen, dass Geflüchtete unter Versprechungen dazu gebracht würden, sich an gewaltvollen Pushbacks gegen neu Ankommende zu beteiligen. Im Gegenzug würden ihnen dafür Aufenthaltstitel versprochen. „Das ist die niederträchtigste Form, das Leid all dieser Menschen zu instrumentalisieren und eine direkte Folge der EU-Abschottungspolitik“, so Schamberger.