
Ich ohne mich
Frankfurter Rundschau
So vieles stammt längst nicht mehr von denen, in deren Namen es veröffentlicht wird. Plagiate sind nicht nur Einzelversagen.
Am Anfang war das Plagiatsthema. Man konnte durchaus entsetzt sein wegen der schlecht abgeschriebenen Bücher, die im ansonsten so lahmen Wahlkampf enttarnt wurden. Früher in der Schule hätte es geheißen: Heft abgeben, sechs. Dann wären es jetzt schon zwei Kanzlerbewerbungen weniger. Doch besagte Werke werden weiter verkauft, in gewisser Weise mag man sogar von Werbeeffekten sprechen. Autorin B. und Autor L. stehen immer noch zur Wahl. Aber es tut sich ein Abgrund auf in der Sparte „Promi schreibt selbst“. Seit Jahrzehnten gehört es zum Wahlkampf bis hinunter auf Länderebene. Ich über mich – Kindheit, Werdegang, Ansichten: Die sogenannten Profis sagen, so etwas braucht es, damit auch im Buchhandel etwas liegt über die Spitzenfiguren. Und Wahlkämpfe sind ja längst generell agenturgesteuert. Anmutung, Bildsprache, Slogans: eingekauft. Auf diese Weise kommen auch misslungene Videos zustande, die dann aus dem Verkehr gezogen werden müssen, weil jemand bei der Abnahme kein Gespür gehabt hatte (SPD). So gesehen also eher Ich ohne mich – was aber in Wirtschaft, Sport und sonstiger Promi-PR allerorten passiert. Etwas, das als authentisch daher kommen soll, wird übergeben an zugekaufte Spezialist:innen. Im Falle Buch gibt es ein paar längere Gespräche, dann wird geschrieben. Man kann es auch eine systematische Entwertung des Mediums Buch nennen, mitgetragen von einschlägigen Verlagen und Handel. Die Denke dazu: Es glaubt ja auch niemand, dass jede Presseerklärung von denen verfasst wurde, deren Name drüber steht. Von Tweets und sonstigen Netzaktivitäten ganz zu schweigen. Pressestellen schreiben bei der Autorisierung Interviews um. Schriftliche Grußworte stammen bis hinunter zum Bürgermeister mindestens im Entwurf aus der Feder von Zuarbeitenden. Warum nicht beim Buch?More Related News