
Historischer Nadal-Triumph: Der Weg ist das Spiel
Frankfurter Rundschau
Rafael Nadal liebt den Wettkampf, er lebt in ihm und für ihn, und nicht zuletzt diese Lust, sich mit anderen zu messen, hat ihn in den Tennis-Olymp gebracht. Ein Kommentar.
Im Tennis weiß man nie. „Nur Boxer können die Einsamkeit von Tennisspielern verstehen“, hat Andre Agassi in seinem biographischen Buch „Open“ geschrieben. Mit dem Unterschied, dass die Boxer zwischen den Runden wenigstens kurz mit ihrem Team in Kontakt sein dürfen, während im Tennis jegliches Coaching untersagt ist. Deshalb, folgerte die ehemalige Nummer eins Agassi, komme das Tennis von allen Sportarten „der Isolationshaft am nächsten“. Weil man völlig alleine ist mit sich, seinem Körper und seinen Gedanken, eingesperrt in eine Zelle aus Lärm und Selbstzweifeln.
Nur wer damit zurechtkommt – Klasse hin, Talent her – kann sich dauerhaft auf höchstem Niveau behaupten. Wie Rafael Nadal, dem seit Sonntag alleinigen Grand-Slam-Rekordtitelträger mit insgesamt 21 Triumphen in Melbourne, Paris, London und New York. Dass der Spanier im Finale der Australian Open gegen Daniil Medwedew einen Zwei-Satz-Rückstand noch aufholte, um in fünf Sätzen doch noch zu gewinnen, war dabei das erstaunliche Comeback innerhalb eines erstaunlichen Comebacks. Seine Teilnahme an dem Turnier war ja alles andere als selbstverständlich gewesen nach seiner langwierigen Verletzungspause im vergangenen Jahr. Aber weil man im Tennis nie weiß und bei Nadal sowieso nicht, brauchte man eigentlich nicht überrascht sein, dass er am Ende den Pokal in die australische Nacht reckte, nach fünfeinhalb zermürbenden Stunden.
Während der erratische Medwedew langsam aber sicher irre zu werden schien angesichts des nicht immer fairen Publikums, das klar auf Nadals Seite war, und auch körperlich immer mehr abbaute, blieb Nadal weitestgehend stoisch. Der 35-Jährige hat einmal erzählt, der Kampf um den Sieg sei das, was ihn immer wieder antreibe, nicht der Sieg selbst. Nur mit diesem Der-Weg-ist-das-Ziel-Mantra lässt sich der historische Erfolg des Mallorquiners erklären. Er liebt den Wettkampf, er lebt in ihm und für ihn, und nicht zuletzt diese Lust, sich mit anderen zu messen und dabei auch an die Grenzen des Machbaren zu gehen, hat ihn in den Tennisolymp gebracht.
21 Titel bei Grand-Slam-Turnieren, das ist die neue Bestmarke, gesetzt von Nadal, der Roger Federer und Novak Djokovic hinter sich lässt. Wohin nun, von hier? Das Ende ist nah, daran lässt Nadal selbst keine Zweifel. Doch das Spiel geht weiter.