Historischer Moment: Benin-Bronzen sind nun im Besitz Nigerias
DW
Nach mehr als 100 Jahren hat Deutschland das Eigentumsrecht an rund 1130 Bronzen an Nigeria übertragen. Ein wegweisender Schritt im Umgang mit kolonialer Raubkunst.
"Es ist ein historischer Moment für unsere beiden Länder, dass wir nun ein Abkommen über die Rückgabe der Benin-Bronzen unterzeichnen!" Nicht nur die Worte von Abba Isa Tijani verraten seine Zuversicht, auch sein wacher Blick. Der Direktor der nigerianischen Museums- und Denkmalsbehörde (NCMM) hat eine entscheidende Rolle gespielt in der Ausarbeitung des Rückführungsabkommens, das in Berlin von Außenministerin Annalena Baerbock, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dem nigerianischen Kulturminister Lai Mohammed sowie dem nigerianischen Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, unterzeichnet wurde: Damit ist vertraglich geregelt, dass der Großteil der sich in deutschen Sammlungen befindlichen Benin-Bronzen ab sofort in den Besitz Nigerias übergeht.
Insgesamt sind das mehr als 1130 Artefakte aus dem Lindenmuseum in Stuttgart, dem Berliner Humboldt-Forum, dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, dem Hamburger Museum für Kulturen und Künsten der Welt und den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen.
Die wertvollen Artefakte - Skulpturen und Reliefs aus Bronze und Messing sowie Arbeiten aus Elfenbein, Koralle und Holz - wurden 1897 bei einer brutalen Strafexpedition von den Briten aus dem einstigen Königreich Benin geraubt. Der Königspalast aus vorkolonialer Zeit wurde bis auf seine Grundfesten niedergebrannt, die Stadt Benin City im Norden des heutigen Nigerias fast vollständig zerstört. Über Auktionen in London gelangten die erbeuteten Kunstwerke Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem nach Deutschland, das sich die weltweit zweitgrößte Sammlung sicherte.
Bereits vor 100 Jahren forderte das einstige Königreich Benin die Bronzen zurück - ohne Erfolg. Afrikanische Intellektuelle nahmen den Kampf in den 1970er-Jahren wieder auf, doch in Europa stießen ihre Forderungen auf taube Ohren. Erst Emmanuel Macrons Besuch in Burkina Faso 2018 markierte einen Wendepunkt: Der französische Präsident kündigte an, dass Frankreich seine kolonialen Kunstschätze zurückgeben werde und gab einen Statusbericht in Auftrag.
Auch in Deutschland schlug dieser Bericht Wellen. Dass sich Nigeria und Deutschland nun nach langwierigen Verhandlungen einigen, bedeutet für Nanette Snoep, dass "jetzt wirklich Geschichte geschrieben wird": "Wenn die Rückgabe und die Eigentümerübertragung der Benin-Bronzen jetzt gelingt, dann ist das wirklich der Anfang der Dekolonisierung der sogenannten ethnographischen Museen", so die Leiterin des Rautenstrauch-Joest-Museum im Gespräch mit der DW. "Diese Eigentumsübertragung ist unglaublich wichtig, fast noch wichtiger als die physische Rückgabe." Nigeria werde fortan darüber entscheiden, wie mit diesen Objekten umgegangen und auch, wie darüber gesprochen wird: "Es geht auch um Rückgabe von Geschichte und es geht insbesondere um eine neue Erzählung der Geschichte."