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Historiker Richard Evans: „Ein Spiel zwischen Zufall und großen Linien“
Frankfurter Rundschau
Historiker Richard Evans über das lange 19. Jahrhundert, die Revolution von 1848 und die Verwandlung der Welt.
Professor Evans, die Revolution von 1848 wird groß gefeiert in diesem Jahr, in Frankfurt tagt eine Global Assembly. Sie haben ein Buch über die große Zeit Europas geschrieben: im 19. Jahrhundert. Europa war jedoch eher kein gutes Vorbild, wenn man an den Imperialismus denkt, oder?
Das 19. Jahrhundert war die Epoche der europäischen Herrschaft über die Welt. Vorher und nachher, also vor 1815 und nach 1914, gab es diese Hegemonie nicht mehr. Es war das Zeitalter des Imperialismus, was mit Genozid und viel Gewalt in Afrika und Asien verbunden war. Auf der anderen Seite war es in den letzten Jahrzehnten, vor allem zehn oder fünfzehn Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, dass die europäischen Mächte begonnen hatten, die Wirtschaft und Politik der kolonialen Gebiete zu entwickeln. Die Zeit Mitte der 1880er Jahre bis zur Jahrhundertwende war eine Phase der Eroberungen. Auch bis 1905/06, mit dem Herero-Aufstand in Südafrika, war es eine Zeit der Gewalt. Darauf folgte eine kurze Phase der Entwicklung, die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde.
Gab es bereits so etwas wie den Westen?
Mit dem Begriff würde ich vorsichtig sein. Denn es geht im 19. Jahrhundert eher um die Dominanz Europas. Amerika kam erst ab 1880 ins Spiel. Allerdings wuchs die wirtschaftliche Stärke der USA rasch an.
Wurde Amerika von Europa schon als Konkurrent wahrgenommen?