Hiroshima sorgt sich um sein Image
Frankfurter Rundschau
Die westjapanische Stadt, 1945 von einer Atombombe verwüstet, sieht sich als Metropole des Friedens. Wenn nun hier der G 7-Gipfel tagt, könnte der pazifistische Glamour verloren gehen.
Und da hinten steht der Atomic Dome“, erklärt Kenichi Harada und dreht sich ein Stück zur Seite. „Der Dome ist so ziemlich das einzige Gebäude hier, das von der Bombe nicht völlig vernichtet wurde.“ Einige Sekunden lang sei es über Hiroshima derart heiß geworden, dass sogar Stahl schmolz, ganze Häuser zu Asche wurden und dann mit dem Wind verschwanden. „Im ‚Atomic Dome‘ wurden damals lokale Produkte gehandelt“, doziert der drahtige, ältere Herr. Und der Bau blieb nur deshalb stehen, weil der Wind knapp dran vorbei blies. Sonst wäre von der Innenstadt gar nichts geblieben.
Heute ist diese Ruine, die wegen ihres Kuppelturms „Dome“ genannt wird, das Wahrzeichen von Hiroshima. Nichts anderes erinnert so bildlich an das, was hier am 6. August 1945 geschah: Um kurz nach acht Uhr morgens detonierte eine von den USA gebaute Atombombe 600 Meter oberhalb der Dächer. Mit dem Atompilz entstand ein sonnengleicher Feuerball. In den Tagen nach diesem ersten Atombombenangriff der Geschichte starben fast 65 000 Menschen, bald verdoppelte sich die Opferzahl. Als drei Tage später auch Nagasaki mit einer Bombe zerstört wurde, kapitulierte Japan.
Der Zweite Weltkrieg war zu Ende. Und in Hiroshima schwor man sich: Diese Stadt würde zu einem Exempel werden, das nicht nur Japan, sondern die ganze Welt vor den Zerstörungen von Krieg warnt. Der 78-jährige Kenichi Harada ist Teil dieser Bewegung. Jede Woche führt der Pensionär, sichtbar stolz gekleidet in ein grünes T-Shirt mit der Aufschrift „Friedensvolunteer“, Interessierte durch den „Friedenspark“ im Stadtzentrum, wo eben auch der „Atomic Dome“ steht. Hier gibt es praktisch nichts, das nicht an die Bombe und die daraus zu ziehenden Lehren erinnern soll.
„Der Springbrunnen da drüben erinnert an die Menschen, die an jenem Tag auf der Suche nach Wasser starben“, erklärt Harada und stapft weiter nach vorne, wo eine Flamme fackelt. „Der Kessel, in dem hier das Feuer brennt, symbolisiert zwei Hände, die die Flamme gemeinsam leuchten lassen.“ Dabei gehe es um Versöhnung. Und kurz dahinter, auf derselben Achse, die zum „Atomic Dome“ führt, wird unter einem massiven Stein eine Liste der Bombenopfer aufbewahrt. Darüber steht in japanischen Lettern ein Satz geschrieben, der sich in etwa übersetzen lässt mit: „Nie wieder Krieg.“
Diese Botschaft könnte es auch geben, wenn Hiroshima in dieser Woche die wichtigsten Vertreter der führenden Industrienationen empfängt. Zum G7-Gipfel vom 19. bis zum 21. Mai kommen neben Gastgeber Japan die Staats- bzw. Regierungschefinnen und -chefs der USA, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas und Italiens . Gerade gegenüber Russland, das im Februar 2022 erneut die Ukraine angriff und zuletzt mit der Nutzung von Atomwaffen drohte, werden sie ihre Verachtung betonen. Und für Gruppenbilder, die Friedensbotschaften in die Welt senden, könnte sich keine Stadt besser eignen als Hiroshima.