"Hinter diese Linie werden wir nicht zurückfallen"
Süddeutsche Zeitung
Ein freundschaftlicher Dissens in Tel Aviv, eine brüchige Stimme in Yad Vashem, und dann noch mitten in den Nahostkonflikt in Ramallah - unterwegs mit Außenministerin Baerbock auf ihrer ersten Dienstfahrt nach Israel und in die Palästinensergebiete.
In Tel Aviv ist nicht nur der Regen wärmer. Aus dem nassen und kalten und ewig umkämpften Jerusalem ist Annalena Baerbock hinabgefahren in die Metropole am Mittelmeer, und als sie dort ankommt, wird sie aufs Herzlichste empfangen von Jair Lapid, dem israelischen Außenminister. Schnell ist klar, dass die beiden sich verstehen. Und warum das so ist, erklärt Baerbock gern. Als "einen der Gründe, warum unser Gespräch so schön war", nennt die deutsche Außenministerin hinterher: den Dissens. "Als Freunde können wir auch Streitpunkte offen miteinander ansprechen."
Baerbock ist auf Antrittsbesuch in Israel. Das Land kennt sie bislang nur flüchtig von einer Reise, die so lange zurückliegt, dass sie es nur vage schätzen kann, zehn Jahre vielleicht. Es ist Neuland für sie, mit all den altbekannten Problemen: Der Friedensprozess stockt, die Siedlungen wuchern durchs besetzte Westjordanland und über eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern will in Israel gerade keiner mehr reden. All das sind jetzt auch Baerbocks Probleme, und deshalb ist die neue deutsche Außenministerin mit dem erklärten Ziel in die Region gereist, ein wenig frischen Wind in die festgefahrenen Verhältnisse zu bringen.
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Natürlich wird auch viel Gemeinsamkeit beschworen bei ihrem ersten Treffen mit Lapid. Es geht dabei um die Lehren aus der Vergangenheit und den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus. Es geht um Deutschlands Verantwortung und Solidarität mit Israel, die von Ex-Kanzlerin Angela Merkel zur "deutschen Staatsräson" erklärt worden war. "Hinter diese Linie werden wir nicht zurückfallen", versichert Baerbock, und schließt dabei ausdrücklich auch die Waffenlieferungen ein.
Aber zugleich spricht sie auch all das an, was schwierig ist in den deutsch-israelischen Beziehungen - und was noch schwieriger werden könnte. Schließlich will Baerbock die deutsche Außenpolitik erklärtermaßen mehr an Werten orientieren, und das demonstriert sie auch in Israel.