Hier lässt sich noch richtig Geld in den Sand setzen
Süddeutsche Zeitung
Der abgelegene Inselstaat Palau verhökert einen "digitalen Wohnsitz" an Investoren. Für schräge Krypto-Geschäfte muss man dort nun nicht mal mehr hinreisen.
Das wäre doch was: als Einwohnerin oder Einwohner einer kleinen Insel im Pazifik zwischen Anemonenfischen und Sandstränden am Laptop arbeiten, dabei aber formell in der stabilen westlichen Heimat gemeldet bleiben. Klingt gut, aber Tim Draper, Risikokapitalist aus Kalifornien, hat es andersrum gemacht: Der 63-Jährige lebt in seiner Heimat USA, arbeitet aber virtuell bald in Mikronesien. Der Milliardär ist der erste digitale Einwohner, den der Inselstaat Palau offiziell in sein neues Online-Residenzprogramm aufgenommen hat. Also lebt Draper nun formell in der Südsee - ohne dort zu sein.
Der Wettbewerb der Staaten um die Reichen treibt damit eine weitere Blüte, dieses Mal in Palau, das bis 1994 von den USA verwaltet wurde und - ganz physische - 19 000 Einwohner hat. Die Nachricht von Drapers neuer "Heimat" verkündete Surangel Whipps, Präsident von Palau, am Dienstag per Videokonferenz.
Allzu bald wird Draper, zu dessen bekanntesten Investitionen Hotmail, Skype, Tesla, SpaceX und Twitter gehören, aber keinen Fuß auf eine der mehr als 350 Inseln Palaus setzen. Seine Teilhabe am Staat Palau findet ausschließlich online statt. Denn automatisch dort wohnen darf er nicht. Digitale Geschäfte über das Land abwickeln sollen er und die 300 000 anderen Menschen, die sich laut Whipps für einen Online-Wohnsitz interessieren, dagegen sehr wohl.
Von ihrer "Aufnahme" erhofft sich das Land wirtschaftliche Vorteile. Vor der Pandemie generierte der Pazifikstaat fast die Hälfte seines Bruttoinlandsprodukts mit Touristen. Die bleiben jetzt aus. Und da kommt die Krypto-Szene ins Spiel - jene Enthusiasten und Verkäufertypen, die in Digitalwährungen und niedrigen Steuern die Zukunft allen Staatswesens sehen. In abgelegenen Ländern mit beschränkter Wirtschaftskraft finden sie willige Politiker, zuletzt in El Salvador, wo der Präsident eifrig und verlustreich mit Bitcoin spekulierte.
Nun hat sich Palau mit dem Blockchain-Unternehmen Cryptic Labs zusammengetan. Es soll sicherstellen, dass digitale Transaktionen fließen können. Rund 150 US-Dollar kostet der virtuelle Wohnsitz, anschließend kann man in Palau Online-Konten eröffnen und Unternehmen gründen. Das ist für Draper und andere Investoren attraktiv, denn der Inselstaat hält die Krypto-Zügel lockerer. In den meisten Industriestaaten beäugen die Finanzaufseher Online-Währungen misstrauisch als gefährliches Spekulationsobjekt, in dem Bürger ihre Ersparnisse versenken könnten.