Hexenverfolgung in Dieburg – Erinnerungen in Schloss Fechenbach
Frankfurter Rundschau
Eine Ausstellung im Museum Schloss Fechenbach beleuchtet die dunkle Geschichte der Hexenprozesse in Dieburg. Der Impuls zur Verfolgung kam aus der Bevölkerung. Die Namenslisten der Opfer sind öffentlich.
Wer schon mal in Dieburg auf der Straßenfastnacht war, kennt das „Mephisto“ in der Zuckerstraße. Das Café ist dann üblicherweise gerammelt voll, und kaum einer ahnt, dass das Gebäude das erste Rathaus des Ortes war und sein späterer Besitzer, Schustermeister und Ratsmitglied Philippus Kretzer, am 18. Oktober 1627 als Hexer verbrannt wurde, zusammen mit seiner Ehefrau Margaretha. Ihre Kinder folgten kurz darauf auf den Scheiterhaufen. Kretzers Name und Berufsbezeichnung sind am Gebäude noch als Inschrift zu lesen.
Jetzt weckt die Ausstellung „Beschuldigt, gefoltert, gebrannt. Hexenprozesse in Dieburg 1596-1630“ im Museum Schloss Fechenbach die Erinnerungen an dieses dunkle Kapitel der Stadtgeschichte, das selbst vor der Hinrichtung achtjähriger Kinder wie Anna Masius nicht haltmachte. 200 Menschen, meist Frauen, wurden innerhalb von 34 Jahren hingerichtet, zahlreiche weitere Personen angeklagt – und das in einem Ort, der nur etwa 1800 Einwohner:innen hatte.
Zwar fanden in Wellen auch andernorts Hexenverfolgungen statt, herausragend aber ist in Dieburg im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg, dass so viele Dokumente existieren. „In keinem anderen Ort sind Akten noch in so großer Anzahl erhalten“, teilt die Stadt mit. Mehrere Bücher zum Thema wurden verfasst, im Internet sind die Namen der Opfer veröffentlicht. „Die Namenslisten der Opfer sind seit 1990 bekannt“, sagt der kommissarische Museumsleiter Lothar Lammer. „Viele Dieburger Familien sagen: ‚Mein Urahn war Opfer der Hexenverfolgung’“. So seien auch heute noch existierende Wohnhäuser der Beschuldigten belegt, die in verschiedenen Quellen genannt werden.
Lammer hat gemeinsam mit Karin Zuleger die noch bis 5. Juni laufende Sonderschau kuratiert. Dazu sichteten sie Hunderte Akten, die zum größten Teil in Mainz und teilweise in Würzburg in Archiven ruhen. Auch Leihstücke wurden herbeigeschafft, etwa das Richtschwert des Scharfrichters Nord aus dem 16. Jahrhundert oder Bildstöcke der bischöflichen Kurfürsten in Mainz. Auch Folterinstrumente sind zu sehen: Bein- und Daumenschrauben, Fesseln und Pranger. Ein Pestsarg von 1600 ist ein Prunkstück der Ausstellung, und symbolisiert das Ende der Hexenverfolgung in Dieburg.
„Die Ausstellung wirkt vor allem in Kombination mit ihrem Begleitprogramm“, sagt Lammer. So finden virtuelle Führungen zu historischen Orten und Prozessen statt, Filmvorführungen, Vorträge und Stadtführungen werden veranstaltet. Für Kinder gibt es eine Leseecke mit Hexenbüchern, und die Dieburger Autorin Yvonne Giehl wird aus ihrem Kinderbuch „Die kleine Hexe Ramsamsam“ lesen.