
Hermlin warnt vor Illusionen über Ausmaß von Antisemitismus
n-tv
Andrej Hermlin ist sich sicher, dass der Antisemitismus tiefer sitzt, als viele in Deutschland wahrhaben wollen. Der Berliner Musiker warnt davor, sich Illusionen zu machen.
Berlin (dpa/bb) - Der Berliner Musiker Andrej Hermlin warnt davor, den Antisemitismus zu unterschätzen. "Wir zeichnen ein Bild von Deutschland, das in der Wirklichkeit nicht Bestand haben kann. Dazu gehört die Behauptung, dass wir eine festgefügte und sichere Demokratie haben, dass wir loyal an der Seite von Israel stehen, dass Deutschland ein ausländerfreundliches Land sei. Nichts davon ist wahr", sagte Hermlin am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Das Problem besteht darin, dass wir schon seit langer Zeit aufgehört haben, die Wirklichkeit wahrzunehmen, wie sie eigentlich ist."
Der Swing-Bandleader stand bei der Demonstration gegen Antisemitismus am Brandenburger Tor am Sonntag als Musiker auf der Bühne, hielt aber auch eine Rede. "Ist es wahr, dass sich der Antisemitismus auf eine Minderheit beschränkt und auf jene, die in der Sonnenallee den Mord an jüdischen Kindern bejubeln?", fragte er dabei. "Ist das "Ja, aber", das man jetzt allenthalben lesen kann, so unschuldig, wie es klingt? Wann sind wir endlich bereit, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen? 1400 Juden sind tot, Kinder, Frauen, Greise, die die SS überlebt haben, aber nicht die Hamas."
"Die Erklärungen, die es in der Politik gibt, die wir gestern auch am Brandenburger Tor gehört haben, die sind sehr schön, aber sie werden von einer Mehrheit der Bevölkerung nicht getragen", sagte Hermlin. "Es gibt eine Mehrheit der Deutschen, die ist antisemitisch, graduell unterschiedlich." Hinzu komme, dass das Vertrauen in die Politik verloren gehe. "Die Umfragen sind bekannt. Sie wissen, welche Wahlergebnisse bestimmte Parteien inzwischen erzielen. Wenn das Zeichen an der Wand nicht gesehen wird, dann fallen die Wände irgendwann zusammen."

Sie hatten sich doch längst verabschiedet, nun sind sie wieder da: Der ganze alte Bundestag kommt in Berlin zusammen, um über die Schuldenpläne von Union und SPD zu diskutieren. Im Zentrum des Geschehens: die Grünen. Um deren Zustimmung werben die kommenden Regierungsparteien. Doch die zieren sich genüsslich.