Hamburg-Tatort „Tyrannenmord“: Durchschaubare Figuren in der ARD
Frankfurter Rundschau
Der Hamburg-Tatort „Tyrannenmord“ hat für die großen Fragen dann doch keine Zeit.
Irgendwo in Süd- oder Mittelamerika soll wohl dieses Land namens Orinaka liegen, in dem Spanisch gesprochen wird und ein Diktator an der Macht ist, der seine politischen Gegner nur zu gern foltern und ins Gefängnis werfen lässt. Oberst Santoz, Sicherheitschefin dieses „demokratisch gewählten“ Präsidenten, kontrolliert die Maßnahmen, die auf deutscher Seite zwei genervte Beamte zu treffen haben für den Hamburg-Besuch von Präsident Mendez: Thorsten Falke und Julia Grosz. Ein unauffälligeres Hotel wäre besser abzusichern? „Er braucht den großen Auftritt“, murmelt Grosz schlecht gelaunt. Demos verhindern? Kommt gar nicht in Frage in einem demokratischen Land, nuschelt Falke.
Dann aber galoppiert Wotan Wilke Möhring auch schon aus der Stadt hinaus und in die Prärie bzw. düst aufs Land unter Missachtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Denn ein junger Mann ist aus einem Edelinternat verschwunden und dieser junge Mann ist der Sohn des Präsidenten. Franziska Weisz hütet indessen den heimischen Herd bzw. bleibt vorm Laptop; vielleicht hatte die Schauspielerin für einen umfangreicheren Dreh einfach nicht genug Zeit. Falke jedenfalls bekommt vor Ort zur Unterstützung einen jungen Kollegen mit Dackelblick und Klapprad, Arash Marandi als Felix Wacker, eine Art Wachtmeister Krause. Zuerst will Wacker noch Fallanalytiker werden. Am Ende bleibt er lieber Provinzpolizist und fotografiert ausführlich ein „legaleis it“-Juxgraffiti.
Der Hamburg-Tatort „Tyrannenmord“ nach einem Buch von Jochen Bitzer und in der Regie von Christoph Stark bemüht sich um Relevanz und moralische Fragen. Vom Zweck, den Mitteln und wann sie geheiligt sein könnten ist die Rede, von Gewalt als Lösung im Extremfall – Hitler und so (auf Putin kam man noch nicht, als „Tyrannenmord“ gedreht wurde). Bitzer und Stark können aber nicht widerstehen, aufs Tempo zu drücken, Haken zu schlagen, noch eine und noch eine falsche Fährte zu legen. Manche dieser Fährten sind ein wenig durchsichtig. Allesamt führen sie dazu, dass für Komplexität und Tiefe keine Zeit bleibt.
Im Internat „Rosenhag“ werden den kommenden Führungskräften „Werte und Verantwortung“ vermittelt – sagt jedenfalls Marie Bergson, Besitzerin der Schule (Katarina Gaub). Kostet auch genug, der Elitedrill, findet Falke. Gleich fällt ihm außerdem auf, dass die politische Einstellung Andreas Bergsons (Christian Erdmann) nicht mit der Tatsache zusammenpasst, dass er ausgerechnet die privilegierten Kinder der Politik- und Wirtschaftselite unterrichtet.
Obwohl, privilegiert? Natürlich haben sie schreckliche Eltern, empathielose Eltern, und das gilt nicht nur für Juan, den Sohn des Diktators, der womöglich seine Entführung vortäuscht – mit Hilfe seiner Freundin Hanna, Valerie Stoll, und seines Freundes August, Anselm Ferdinand Bresgott. Denn es hat noch niemand von einer „Aktion free Orinaka“ gehört.