Gustavo Petro: Vom linken Guerillero zum gemäßigten Präsidenten?
DW
Kolumbiens neuer Präsident hat als Guerillero gegen den Staat gekämpft und womöglich Kapitalverbrechen verübt. Nun will er das Land mit einer Art sozial-ökologischer Marktwirtschaft befrieden. Wer ist Gustavo Petro?
Zweimal war Gustavo Petro bereits bei der Präsidentenwahl gescheitert. Im dritten Anlauf hat er sich als Konsenskandidat großer Teile des linken Parteienspektrums in der Stichwahl durchgesetzt. Mit 50,5 Prozent bekam er rund drei Prozent mehr der abgegebenen Stimmen als der parteilose Unternehmer Rodolfo Hernández. Wie der Name des Wahlbündnisses "Pacto Histórico" ("Historischer Pakt") verheißt, könnte Petros Wahlsieg tatsächlich einen Wendepunkt in der kolumbianischen Geschichte markieren. Denn er ist der erste linke Präsident der Republik Kolumbien.
Fast 140 Jahre lang hatten stets Präsidenten aus konservativen oder liberalen Parteien die Geschicke des Landes gelenkt. Während in vielen Ländern Lateinamerikas linke Parteien seit Jahrzehnten die Politik mitbestimmen, blieb die kolumbianische Mehrheit skeptisch gegenüber linkem Gedankengut. Zu groß war der Schrecken vor den unterschiedlichen Guerilla-Gruppen, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts versucht haben, dem Land ihre kollektivistischen Ideologien mit Gewalt aufzuzwingen - allen voran die Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, kurz FARC, mit der die Regierung 2016 einen brüchigen Friedensvertrag schloss. Umso überraschender wirkt es, dass die Kolumbianer nun ausgerechnet ein Ex-Guerillero zum Staatschef erkoren haben.
Als Kind eines Lehrers studierte Gustavo Petro Volkswirtschaftslehre an einer privaten Universität, als er sich, noch als Teenager, der Guerilla M-19 anschloss. Die Bewegung hatte sich 1970 gegründet, nachdem der Kandidat der linken Alianza Nacional Popular, Gustavo Rojas Pinilla, durch mutmaßlichen Wahlbetrug um den Sieg gebracht worden war.
Ab da führte Petro gewissermaßen ein Doppelleben: Nach abgeschlossenem Studium trat er 1980 offiziell in den Dienst der zentralkolumbianischen Stadt Zipaquirá ein und wurde später Stadtverordneter. Parallel dazu engagierte er sich als "Coronel Aureliano" in der M-19. Den Namen gab er sich nach einer Figur im Roman "100 Jahre Einsamkeit" von seinem Landsmann und Idol, dem Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez.
In dieser Zeit verübte die M-19 zahlreiche Verbrechen - darunter Entführungen, Morde und Angriffe auf militärische und polizeiliche Einrichtungen. Für wie viele davon PEtro (mit)verantwortlich ist, ist unbekannt. Denn Hunderte Verbrechen der M-19 hat Kolumbien bisher nicht gerichtlich aufgearbeitet. Um das zu ändern hat der kolumbianische Journalist Francois Roger Cavard nach eigenen Angaben Beweise für 40 dieser Verbrechen gesammelt und Klagen eingereicht. Eine davon hat der Nationale Gerichtshof von Spanien kürzlich zugelassen. Darin wird Gustavo Petro beschuldigt, im Jahr 1981 an der Entführung des 2014 verstorbenen spanischen Journalisten Fernando González Pacheco beteiligt gewesen zu sein.