Großes Kino im kleinen Kreis
n-tv
Die 72. Berlinale will kein Corona-Filmfest sein - und ist es irgendwie doch. Nicht wegen der Debatten über das Stattfinden des Festivals, sondern weil viele Filme Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre spiegeln: Isolation, den Blick nach innen, die Flucht aufs Land.
Das Berlinale-Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian hat seit Amtsantritt vor zwei Jahren nicht das, was man einen Lauf nennen würde. 2021 zwang die Corona-Pandemie die Geschäftsführerin und den Künstlerischen Leiter dazu, das Filmfest in ein digitales Branchenevent und eine Auswahl an Open-Air-Vorführungen im Sommer umzuwandeln. De facto fiel das weltweit größte Publikumsfestival damit aus.
Für dieses Jahr schlossen die Niederländerin und der Italiener die Absage einer Präsenz-Berlinale kategorisch aus: Die Filme seien fürs Kino gemacht worden, dort gehörten sie hin. Ihr Plan B lautet "2G-Plus-Maske-Plus-Test-Modell" plus nur halbvolle Kinosäle. Kritik am Stattfinden der Großveranstaltung trotz Pandemie gab es dennoch bereits zuhauf.
Ohne all die Einwände zum Ausnahmezustand-statt-Absage-Konzept erneut aufzurollen, lässt sich sagen: Das Programm der 72. Internationalen Filmfestspiele hätte ein großes Publikum verdient. Auch wenn direkt gewarnt werden muss: Glanz und Glamour verbreitende US-Produktionen sind im Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären nicht zu finden. Aber geschenkt - es wäre wohl eh kein Hollywoodstar gekommen, um eine Berlinale ohne Partys und kreischende Mengen am Roten Teppich zu beehren.
Der finale Showdown im "Sommerhaus der Stars" bringt dem Siegerpaar Sam Dylan und Rafi Rachek 50.000 Euro mehr auf dem Konto ein. Doch das Finale sorgt vor allem durch Eskalationen und Handgreiflichkeiten für Gesprächsstoff. Zuschauer diskutieren: Haben wir alle Trash-TV etwa jahrelang falsch verstanden?