"Grüner Stahl" - welche Erfolgschancen hat er wirklich?
DW
Fast zehn Prozent trägt die Stahlproduktion zur Erderwärmung und damit zum Klimawandel bei. Es gibt Ansätze, Stahl nachhaltiger herzustellen. Doch noch sind sie teuer und schwer zu skalieren. Wie also wird Stahl "grün"?
Stahl ist ein preiswertes, starkes und haltbares Metall und überall zu finden: in Häusern, Autos oder auch Spülbecken. Und er ist auch ein wesentlicher Baustoff für Windturbinen und Strommasten, die für die Energiewende gebraucht werden, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu überwinden. "Stahl ist so etwas wie das Lebenselixier der Wirtschaft. Er durchdringt jeden Sektor", sagt Gauri Khandekar, Wissenschaftlerin an der Freien Universität Brüssel, die sich mit der Dekarbonisierung der Schwerindustrie beschäftigt.
Doch Stahl ist nicht nur der Baustoff für die Energiewende sondern gleichzeitig auch Treiber des Klimawandels. Denn bei der Herstellung des Metalls entstehen viele Treibhausgase. Die Stahlindustrie ist für sieben bis neun Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, die unsere Erde aufheizen, Hitzewellen verstärken und Wirbelstürme und Starkregenfälle begünstigen.
Die Stahlerzeugung ist deshalb so problematisch, weil zunächst Eisenerz in Hochöfen mit enormem Energieaufwand erhitzt werden muss, um reines Eisen und damit den Grundstoff für die Stahlproduktion zu gewinnen. Bei der chemischen Reaktion in den Hochöfen wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Etwa 75 Prozent des Stahls werden auf diese Weise hergestellt - meistens mit Kohle, dem schmutzigsten aller fossilen Brennstoffe - in Öfen, die 15 bis 20 Jahre lang in Betrieb sind, bevor sie stillgelegt oder teuer repariert werden müssen.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach Stahl bis 2050 um rund ein Drittel steigen. Analysen zufolge entscheiden die heute getroffenen Entscheidungen für die künftige Stahlproduktion darüber, ob die Ziele des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden können, oder nicht.
"Die 2020er Jahre sind in dieser Hinsicht ein sehr kritisches Jahrzehnt, da mehr als 70 Prozent aller Hochöfen das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, und Entscheidungen über Reinvestitionen nötig werden", so Wido Witecka, Stahlexperte bei der deutschen Klimaschutz-Denkfabrik Agora Energiewende.