Grüße aus Ostpreußen
Die Welt
Königsberger Marzipan ist würziger und duftet intensiver. Von seiner Tante Hiltrud hat unser Autor gelernt, wie man es macht und wie daraus raffinierte Plätzchen-Zweiteiler entstehen.
Ihre verlorene Heimat war eine Art Obsession meiner seligen Großtante Hiltrud. Sie hatte das „Ostpreußenblatt“ abonniert, ließ kein Vertriebenentreffen aus und liebte Heimatküche. Was einmal so weit ging, dass sie mir Schwarzsauer auftischte, eine dicke ostpreußische Suppe aus Gänseblut, die leider so schmeckte, wie sie aussah. Viel besser gefiel mir das, was Tante Hiltrud regelmäßig vor Weihnachten fabrizierte: Königsberger Marzipanplätzchen.
Das waren raffinierte Zweiteiler – unten eine Basis aus Mürbeteig mit einem Hauch Marzipan, oben ein Marzipankranz und ein Herz aus rotem Gelee. Das mit den zwei Schichten war eine Idee ihrer Mutter, meiner Uroma: „Wir hatten damals ja nuscht, es musste jespart werden an jeder Ecke“, pflegte Tante Hiltrud in ihrem breiten Ostpreußisch zu sagen. „Aber Wejhnachten ohne Keenichsberger Marzipan? Undenkbar! Mit der Keksunterlage konnten wir ein bisschen sparen am teuren, puren Marzipan, aber nicht am Jeschmack.“