Gorillas probiert es jetzt auf die Mitleidstour
n-tv
Was als kreativer Spaß gedacht war, kommt bei Arbeitnehmervertretern gar nicht gut an: In einer neuen Kampagne wirbt der Blitz-Lieferdienst Gorillas mit den Inflationssorgen seiner eigenen Mitarbeiter und probiert, Kunden zu Mitleidskäufen zu bewegen.
Der Betreff einer E-Mail, die der Berliner Lieferdienst Gorillas diese Woche an tausende Kunden verschickte, klang wie ein Hilferuf: "Ich muss dringend befördert werden. Die Inflation ist verrückt. Ich brauche eine Gehaltserhöhung", heißt es in der Textvorschau. In dem Schreiben stellt sich ein gewisser Adri vor, offenbar ein Mitarbeiter aus dem Marketing-Team, der seinen Chef mit einer besonders wirksamen Gutscheinaktion beeindrucken will. Dafür benötige er die Hilfe der Kunden. Sie sollen einen Rabattcode einlösen. Zum Schluss wendet sich der Mitarbeiter noch einmal direkt an sie: "Lass mich nicht hängen", schreibt er.
In der E-Commerce-Branche sind Rabattaktionen ein gängiges Mittel, um neue Kunden zu gewinnen oder alte zu reaktivieren. Unternehmen wollen so ihre Umsätze kurzfristig hochtreiben, etwa um am Quartalsende die Zahlen aufzuhübschen oder bei Präsentationen für Investoren zu glänzen. Gorillas macht das im Vergleich zur Konkurrenz besonders aggressiv. Das Startup wirbt schon seit Monaten mit ähnlichen E-Mail-Kampagnen, teils auch mehrmals pro Woche. Dass es dabei augenscheinlich die prekäre finanzielle Situation seiner eigenen Mitarbeiter als Masche nutzt, ist jedoch neu.
Eine Gorillas-Sprecherin bestätige die Authentizität der Mail. Man habe damit an einem Internetphänomen anknüpfen wollen. Unter dem Schlagwort "Mein Chef sagt" kursieren einige Videos auf der Social-Media-Plattform Tiktok, in denen junge Leute offenbar spaßhaft um Likes und Klicks betteln, damit sie eine Belohnung von ihrem Chef bekommen. "Als junges und mutiges Unternehmen geben wir unseren Mitarbeiter:innen den Freiraum, kreative Ideen zu entwickeln und diese auch umzusetzen", teilte die Sprecherin zu der Kampagne mit.
Wie geht es für die Tausenden Beschäftigten bei VW weiter? Der Konzern plant, die Bezüge in der Krise zu kürzen. Die Arbeitnehmer kontern mit einem eigenen Zukunftskonzept. Noch gibt sich der Autobauer bedeckt, zum Start der dritten Tarifrunde mobilisiert die IG Metall zu einer großen Demonstration in Wolfsburg.