
Gladiator und Denker
Frankfurter Rundschau
Eine italienische Abwehr ohne Ritter Giorgio Chiellini, den härtesten aller eisenharten Verteidiger, ist kaum vorstellbar. Er hat die Kunst des Verteidigens auf ein höheres Level gehievt.
Vor einiger Zeit haben sich die „11 Freunde“ im Spaß gefragt, was der eisenhärteste Verteidiger im Weltfußball so alles in seiner Freizeit tut. Natürlich war Giorgio Chiellini gemeint, seit Jahrzehnten unerbittlich knüppelhart bei Juventus Turin und der Squadra Azzurra am Grätschen, und sie hatten auch ein paar Ideen: leer stehende Häuser niederreißen, gegen Eisenbahnschwellen treten, Straßen mit dem Presslufthammer bearbeiten, so Sachen halt. Sie hätten nicht mehr daneben liegen können. Aber es stimmt schon. Bei kaum einem anderen kontrastieren Auftritte auf dem Rasen so sehr mit jenen daneben. Auf den ersten Blick würde man nicht darauf kommen, dass Giorgio Chiellini, dessen hakennasige Grobkörnigkeit martialische Fantasien leicht weckt, in seiner Freizeit nicht nur Bücher liest, sondern auch schreibt, dass er nach einem BWL-Studium an der Universität Turin einen Bachelor-Abschluss summa cum laude hat (über das „Businessmodell von Juventus Turin“) und ein ausgewiesener Gentlemen ist, höflich mit geschliffenen Manieren. Er stammt aus einer wohlhabenden Familie, Vater Orthopäde, Mutter Geschäftsführerin. Das Buch hat er (gemeinsam mit einem Journalisten) über Gaetano Scirea geschrieben, „Der schwarz-weiße Engel - mein Meister Scirea“, seinem großen Vorbild in allem, in Auftreten, im Verteidigen. Scirea spielte ebenfalls bei Juventus Turin, er gehörte zur WM-Elf, die 1982 in Spanien den Titel gewann (nach einem 3:1 über Deutschland) und der im Alter von nur 36 Jahren bei einem Autounfall starb. Sein zweites Buch ist seine Autobiografie „Io, Giorgio“. Auch Chiellini, in Pisa geboren und in Livorno fußballerisch groß geworden, ist 36. Und noch immer eine unverzichtbare Säule im italienischen Bollwerk, ein Kapitän wie im Buche, sowohl bei Nationalcoach Roberto Mancini als auch bei Juve, wo sein vor einigen Tagen ausgelaufener Vertrag um ein weiters Jahr verlängert werden soll. Eine Squadra Azzurra ohne Chiellini und ohne seinen kongenialen Partner Leonardo Bonucci ist eigentlich nicht vorstellbar. Beide, in Italien „Senatoren“ genannt, ergänzen sich perfekt, spielen seit Jahrzehnten zusammen, verstehen sich blind, „wir brauchen uns nicht einmal mehr anzusehen“, hat Chiellini, der um zwei Jahre Ältere, unlängst gesagt. Sie haben die eh schon hohe italienische Kunst des Verteidigens noch einmal auf ein höheres Level gehievt.More Related News