Gigantismus ohne Grenzen
Frankfurter Rundschau
Damit das Herz Olympias schlagen kann, wird sogar ein ganzes Dorf umgesiedelt.
Bei der ersten Begegnung mit der Hochebene von Zhangjiakou musste Hans-Martin Renn noch einige Phantasie aufbringen. Es war auch für den Allgäuer Architekten kaum vorstellbar, dass hier bald das Herz Olympias schlagen soll. In diesem verlassenen Mittelgebirgsland, dessen Grün nur von einem alten Dörfchen unterbrochen war.
Heute, gut fünf Jahre später, ist in Zhangjiakou nichts mehr, wie es war. Auch das Dorf ist weg, umgesiedelt zum Wohle des olympischen Fortschritts. Die Hochebene hat sich zu einem imposanten Wintersportgebiet gewandelt. Im Mittelpunkt: Die futuristische Schanzenanlage des Snow Ruyi National Ski Jumping Centre, die wie ein überdimensioniertes chinesisches Zepter in den Himmel ragt. Auch Langlauf- und Biathlonstadion sind nicht weit entfernt.
Ein Wandel, der auch den Architekten aus Fischen schwer beeindruckt: „Die haben dort einfach alles auf den Kopf gestellt.“ Offizielle Zahlen über den wirtschaftlichen Aufwand gibt es nicht. Durchs Internet geistern 60 Millionen Euro. „Wenn wir von der Schanze alleine sprechen“, sagt Renn, „dann könnte das hinkommen.“ Und wenige waren so nah dran wie er. Der 55-Jährige, der mit seinem Büro unter anderem auch die Anlagen in Oberstdorf umbaute, ist Chef der Schanzenbau-Kommission des Weltverbandes FIS.
Renn war als solcher auch Teil der Jury, die über Architektenentwürfe für die olympischen Anlagen entschied. Die Endausscheidung entsprach natürlich dem Gigantismus des chinesischen Unternehmens Olympia. Die Größe der eingereichten Modelle, die aufwendigen Multi-Media-Präsentationen – das war weit jenseits von allem, worin sich Renn mit seinem 15 Mitarbeiter starken Büro bis dahin bewegt hatte.
Bilder gibt es übrigens nicht, sogar das Mobiltelefon war am Eingang der Präsentationshalle abzugeben. Die Teilnehmer gaben mit dem Mobiltelefon übrigens auch das Recht am eigenen Entwurf ab – es war Teil der Teilnahmebedingungen. Wobei Renn schnell merkte, dass es bei diesem Projekt um weit mehr ging und geht als die Spiele, die am Wochenende beginnen. Man will nicht unbedingt die Welt, aber durchaus sich selbst begeistern. Man will die Bevölkerung für eine bis dato nur leidlich bekannte Form des Tourismus gewinnen. Dass es in diesen gewaltigen Ausmaßen passiert, ist typisch für dieses Land. „Man sieht, wenn dieses Land etwas macht“, sagt Renn, „dann macht es das im großen Stil.“