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Gibt es eine Ost-West-Spaltung der EU?
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Streit über Rechtsstaatlichkeit, LGBT-feindliche Gesetze oder Migration - die Politik in einigen Ländern Osteuropas widerspricht europäischen Grundwerten. Viele machen sich Sorgen über eine Ost-West-Spaltung der EU.
Im Sommer stellte Frankreichs Präsident Macron fest, die anhaltenden politischen Probleme in der EU mit einigen der Osteuropäer seien "kein Viktor-Orban-Problem (…) das ist ein Problem, das tiefer geht". Er sprach von einer fundamentalen "Ost-West-Spaltung" in Europa. Beim jüngsten Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Warschau schien sich die Diagnose erneut zu bewahrheiten. Er wurde von regierungsamtlichen Plakaten begrüßt, auf denen Angela Merkel und andere deutsche Politiker in einer Reihe mit Adolf Hitler und NS-Propagandaminister Joseph Goebbels erscheinen. Gleichzeitig wird der Bundesrepublik "Rechtlosigkeit" vorgeworfen, weil sie angeblich Polen keine Kriegsreparationen zahlen wolle. Die Provokation ist unverhüllt.
Als im Sommer der populistische Slowene Janez Jansa die rotierende Ratspräsidentschaft der EU übernahm, sahen einige Beobachter schwarz. Jansa nennt Viktor Orban seinen Freund, verfolgt Journalisten mit Beleidigungen auf Twitter und liebt die Provokation. Gleich zum Auftakt gab es dann auch einen Eklat, weil Jansa unliebsame slowenische Richter in einer Fotomontage quasi mit Zielscheiben versehen hatte.
Aber danach verlief sein Vorsitz weitgehend unauffällig, der politische Apparat der EU konnte den Slowenen weitgehend umfahren. Im Streit mit Ungarn um ein Gesetz, das Homosexualität diskriminiert, schlug sich Jansa allerdings auf Orbans Seite, ebenso wie im Kampf mit Brüssel um den Abbau der Rechtsstaatlichkeit in Polen. "Ich denke, dass die ganze Haltung dieser Allianz sehr anti-europäisch ist. Sie zeigt Anzeichen für die Etablierung von einer Art neuem eisernen Vorhang", sagt Marko Milosavljevic, Professor für Medienkunde an der Uni Ljubljana. Aber Jansas Minderheitsregierung sitzt nicht besonders fest im Sattel. Im Frühjahr gibt es Wahlen, bei denen sich die Opposition gute Chancen ausrechnet.
Auch die jüngsten Wahlen in Prag haben gezeigt, dass Populisten abwählbar sind. Premier Andrej Babis wurde von einer Europa-freundlichen Allparteien-Koalition abgelöst. Auch in Bulgarien klappte es im dritten Anlauf, eine eher pro-europäische Koalition auf die Beine zu stellen. Und in Rumänien konnten die Sozialdemokraten in der Regierungskoalition mit EU-feindlichen Initiativen bisher noch keine Gewinne machen.
Politikexperte Stefan Lehne von Carnegie Europe folgert daraus, dass die Krise der EU sich weitgehend auf Polen und Ungarn konzentriert und "nicht typisch ist für die Region insgesamt. Abgesehen von dieser ganz spezifischen eskalierenden Situation kann man nicht davon sprechen, dass sich die Situation zwischen Ost und West verschlechtert hat." Auch glaubt er, dass der Wiederaufbaufonds eine positive Wirkung gegen eine Ost-West Spannung entfalten kann.