Gianni Infantino und der DFB: Erst mal Innehalten
Frankfurter Rundschau
Bedauerlicherweise hat im Zuge des Krieges niemand von Fifa-Präsidenten Gianni Infantino mehr erwartet als Halbgares - so tief ist die Fifa in ihrem Ansehen schon gesunken.
Es ist - leider - wenig überraschend, dass der gelähmte Deutsche Fußball-Bund retardiert reagiert mit seinen zwei Co-Interimspräsidenten, die sich gegenseitig das Schwarze unter den Fingernägeln nicht gönnen. Polen, Schweden, Tschechien, Frankreich, England, Dänemark, die Schweiz, Norwegen - sie alle haben über das Wochenende hinweg oder spätestens Montagmorgen offiziell deutlich gemacht, dass ihre Mannschaften nicht gegen Russland antreten werden. Nach Stand der Dinge nicht bei der WM-Qualifikation der Männer, nicht bei der WM in Katar und auch nicht bei der Frauen-EM diesen Sommer in England.
Peters, immerhin, äußerte am Samstagabend im ZDF-Sportstudio seine am Montagmorgen wiederholte Privatmeinung, er könne es sich „nicht vorstellen“, dass es „Spiele gegen Russland geben wird“. Von Koch war bis dahin nichts dergleichen zu vernehmen gewesen. Vom DFB ganz offiziell zu diesem Zeitpunkt, fünf Tage, nach Kriegsausbruch, auch nicht - außer einer allgemeinen Verurteilung des Angriffs („aufs Schärfste“) und der Aufruf zu einer „Minute des Innehaltens“ vor den Spielen des Wochenendes. Auf seiner Homepage informierte der Verband bis in den Montagnachmittag hinein über eine Briefmarke zum 125. Geburtstag von Sepp Herberger und darüber, dass Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff nach einem Trip nach Katar guter Dinge ist: „Wir werden optimale Bedingungen für die Spieler haben.“
Traurige Gewissheit verschaffte am Sonntagabend der Weltverband Fifa darüber, dass er zunächst keineswegs gedenkt, das Land des Kriegstreibers Putin vorerst auszuschließen. Stattdessen: weiterkicken auf neutralem Boden unter anderem Namen, ohne Flagge, ohne Hymne. Ganz so, als habe Russland mal wieder gegen ein paar lästige Dopingregeln verstoßen.
Bedauerlicherweise hat niemand von Fifa-Präsidenten Gianni Infantino tatsächlich mehr erwartet als einen derart halbgaren Move. So tief ist die Fifa in ihrem Ansehen schon gesunken, dass das keine Überraschung ist. Ironie der Geschichte: Der gestrenge Weltverband sperrte am Tag der Invasion von Putins Truppen in die Ukraine die Nationalverbände von Simbabwe und Kenia wegen „Einmischung der Regierungen in die Belange der Verbände“.
Interessant auch, wie wortreich und inhaltsleer Infantino in einer Fifa-Pressekonferenz auf die Frage von Rob Harris antwortete. Der AP-Reporter wollte wissen, ob der Fifa-Chef gedenke, seinen 2019 von Putin feierlich verliehenen „Orden der Freundschaft“ zurückzugeben und grundsätzlich seine Beziehungen in den Kreml in Frage stelle. Infantino antwortete sinngemäß, er glaube weiterhin daran, dass der Sport Menschen zusammenbringe.