Gewerkschaft attackiert TÜV Süd
Süddeutsche Zeitung
Die IG Bergbau, Chemie, Energie unterstützt eine weitere Klage wegen der Katastrophe in Brasilien. Die Kernfrage lautet: Haften deutsche Konzerne auch für ihre ausländischen Filialen?
Ärger hat der TÜV Süd schon genug nach der Staudamm-Katastrophe vor drei Jahren in Brasilien mit 270 Toten; beim Landgericht München I ist eine große Klage gegen den Prüfkonzern angängig. Jetzt hat der TÜV Süd auch noch die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gegen sich. Die IG BCE unterstützt eine weitere Klage gegen den Prüfkonzern, der damit gewissermaßen in die Zange genommen wird.
Es geht um viel menschliches Leid in Brasilien und um viel Geld für den TÜV Süd, der den geborstenen Damm wenige Monate vorher noch als sicher zertifiziert hatte und den Betroffenen mehr als 400 Millionen Euro zahlen soll. Und um Grundsatzfragen, die weit über diesen Fall hinausreichen: Können die Gewerkschaften internationale Standards zum Schutze von Beschäftigten durchsetzen? Und müssen deutsche Konzerne dann auch für ihre ausländischen Filialen haften?
Der TÜV Süd, der jede Mitverantwortung für den verheerenden Dammbruch weit von sich weist, will auf keinen Fall zahlen. Auf eine erste, damals noch kleine Klage hin hat der Prüfkonzern bereits im März 2020 beim Landgericht München I eindringlich vor einer weitreichenden Haftung gewarnt. Das wäre ein "erheblicher Anreiz", um in anderen Teilen der Welt eine Art Durchgriff zu versuchen. Und um letztlich einen Durchgriff zu ermöglichen, der auf die "vermeintlich tiefen Taschen" deutscher Unternehmen mit ausländischen Filialen abziele, so der TÜV Süd.
Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der IG BCE, hat kein Verständnis für die Haltung des TÜV Süd. Die brasilianische Filiale des deutschen Prüfkonzerns habe "wider besseres Wissen" eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den nahe der Stadt Brumadinho gelegenen Staudamm ausgestellt. Deshalb sei es moralisch und juristisch geboten, dass auch die in München ansässige Zentrale des TÜV Süd dafür zur Verantwortung gezogen werde. Zumal die Konzernzentrale Bescheid gewusst und das falsche Zertifikat abgesegnet habe, sagt Vassiliadis. Der TÜV Süd bestreitet das.
Am 25. Januar 2019 war der Staudamm einer Eisenerzmine bei Brumadinho geborsten, eine riesige, giftige Schlammlawine begrub Menschen, Tiere und Häuser. Die Folgen beschäftigen heute das Landgericht München I. 1112 Menschen aus Brasilien verklagen den TÜV Süd auf 436 Millionen Euro Schadenersatz. Die Klägerinnen und Kläger sind vor allem Angehörige von Opfern, aber auch Überlebende des Unglücks. Zu diesem großen Verfahren kommt die weitere, von der IG Bergbau unterstützte Klage hinzu.