Gewalt im Sahel: Die Einschläge kommen näher
DW
Vom Zentralsahel ziehen bewaffnete Gruppierungen weiter Richtung Süden, etwa nach Benin, um auch dort Anschläge zu verüben. Das schwächt die ganze Region. Aus Benin berichtet Katrin Gänsler.
In Benin sind die sozialen Netzwerke in diesen Tagen voll mit Werbung für die schönsten Ausflugsziele im Land. Die Wochen um den Jahreswechsel herum sind Hauptsaison. Im Ausland lebende Beninerinnen und Beniner besuchen über die Feiertage ihren Familien. Für europäische Urlaubsgäste ist es die beste Reisezeit. Die Regenzeit ist vorbei, und durch den Harmattan, den trockenen, von der Sahara zum Atlantik wehenden Nordostwind, sind die Nächte angenehm kühl. Sanny Kassim, der Betreiber des Hotels Le Bélier in der Stadt Natitingou im Norden, macht sich jedoch Sorgen. Die 27 Buchungsstornierungen, die bisher bei ihm eingegangen sind, haben zwar mit der neuen Corona-Variante Omikron zu tun. Er erhält allerdings auch zahlreiche Anfragen zur Sicherheit.
Im Norden hat es Ende November und Anfang Dezember zwei Anschläge gegeben, die ersten dieser Art im Land. Die betroffenen Orte Porga und Banikoara liegen in der Nähe der Grenze zu Burkina Faso und des Pendjari-Parks, Top-Ausflugsziel in Benin und ganz Westafrika. Die Rede ist von dschihadistischen Terroranschlägen. Sanny Kassim sagt jedoch: "Es gibt viele Gerüchte." Genau die sind ein enormes Risiko für sein Geschäft. "Solche Informationen haben einen großen Einfluss, wenn sie sich nicht widerlegen lassen." Vom Tourismus leben in Natitingou längst nicht nur Reiseführer, sondern auch Hotels, Supermärkte und Dörfer, die bei Gruppenreisen besucht werden.
Dabei sei in den vergangenen Jahren viel dafür getan worden, um den Pendjari-Park, der von der Organisation African Parks verwaltet wird, sicher zu machen. In der Nacht auf den ersten Mai 2019 wurde ein beninischer Tourguide ermordet, zwei Franzosen entführt. "Regierung und Parkbetreiber hat das aufgeweckt", sagt Kassim. Das Hotel in der Nähe der Grenze zu Burkina Faso wurde geschlossen, eine Sicherheitszone eingerichtet. "Wenn ich im Park bin, fühle ich mich in Sicherheit."
Der Norden Benins ist in Westafrika nicht die einzige Region, die gerade in den Fokus von Banditen und Terroristen rückt. Auch in Burkina Faso, wo bereits seit 2016 schwere Anschläge im Norden verübt werden, breitet sich die Gewalt aus. Mit Nadiagou im Südosten kontrolliert erstmals die aus Mali stammende Dschihadisten-Miliz Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM) ein ganzes Dorf. Es liegt in der Grenzregion zu Benin und Togo, was für beide Länder ein Risiko darstellt.
Ein beliebtes Ausflugsziel waren in Burkina Faso bisher die Region Banfora mit Wasserfall und Wäldern sowie die Stadt Bobo-Dioulasso im Südwesten. Dort lebt Lehrer Sid-Lamine Salouka, der besorgt ist. In der Stadt sei die Gewalt zwar noch nicht zu spüren. "In den Dörfern haben die Menschen aber wirklich Angst. Manchmal kommen Dschihadisten. Selbst wenn diese keine Angriffe verüben, sorgt das für Druck." Auch Expertinnen und Experten beobachten eine zunehmende Präsenz. "Mittlerweile sind dort bewaffnete Dschihadistengruppen sehr aktiv", sagt Rinaldo Depagne, Projektdirektor Westafrika der Denkfabrik International Crisis Group (ICG). Auch sei die burkinische Armee präsent. "Wir haben eine neue Kampfzone."