Getreidediebstahl in der Ukraine: Begeht Russland damit Kriegsverbrechen?
ProSieben
Die russischen Besatzer sollen in den annektierten Gebieten der Ukraine in großen Mengen Getreide beschlagnahmen und verkaufen.
Das Wichtigste in Kürze:
Russland bedient sich offenbar in großem Stile an Getreide aus ukrainischer Landwirtschaft. Wie Recherchen des NDR ergeben haben, sollen seit Kriegsbeginn bereits 20 Frachtschiffe, meist unter russischer Flagge, rund eine Million Tonnen Getreide unrechtmäßig aus dem Hafen Sewastopol auf der annektierten Krim ausgeführt haben.
Und nicht nur das: Laut den Frachtlisten, welche das Rechercheteam des NDR nach eigenen Angaben einsehen konnte, seien noch etwa 40 weitere solcher Transporte in diesem Jahr geplant.
Der Export des Getreides sei für die Ukraine eine wirtschaftliche Katastrophe, so Taras Vysotzkiy, stellvertretender ukrainischer Landwirtschaftsminister, die Auswirkungen seien verheerend. "Es ist unglaublich und ein enormes, auch soziales Problem. Hier geht es ja um Tausende Landwirte", so Vysotzkiy. Er schätze, dass man in diesem Jahr mit einer Ernte von etwa acht bis zehn Millionen Tonnen Getreide allein in den von Russland besetzten Gebieten rechne könne. Davon habe Russland inzwischen aber bereits einen Teil beschlagnahmt. Die Landwirte blickten auf eine ungewisse Zukunft, so der stellvertretende Landwirtschaftsminister weiter. "Sie säen nichts neu aus, sie können nichts investieren. Nächstes Jahr werden wir noch schlimmere Zahlen haben." Vysotzkiy spricht von einem wirtschaftlichen Schaden in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar.
An das Getreide kämen die Besatzer auf unterschiedlichen Wegen, so die Recherchen. Betroffene Agrarunternehmer und Landwirte berichteten, dass beispielsweise die Ernten von Bauern beschlagnahmt worden seien, welche ihre Höfe aufgrund des Krieges verlassen haben. Obendrein würden russische Offizielle das Getreide zu Preisen weit unter Vorkriegsniveau abkaufen. Laut Dmitry Skornyakov, Geschäftsführer des Agrarkonzerns Harveast aus Donezk, seien die Besatzer aufgetaucht und teilten mit: "Wer uns unterstützt, kann weiter arbeiten. Wer die Ukraine unterstützt, dessen Besitz gehört jetzt uns."