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"Geile Nichtigkeiten" - wenn Kunst Zündstoff ist
n-tv
Eine gigantische Ausstellung für digitale Künste ist aktuell in Leipzig zu erleben. "Dimensions - Digitale Kunst seit 1859" führt das Publikum in eine labyrinthartige Inszenierung auf dem historischen Industriegelände der Pittlerwerke und sorgt darüber hinaus für ordentlich Zündstoff.
Kunst ist immer in Bewegung. Die Leidenschaft der digitalen Künste fängt mit einer Affäre im völlig analogen Jahr 1859 an. Damals wurde von einem Bildhauer in Paris quasi der Vorläufer des modernen 3D-Scan erfunden. François Willème positionierte 24 Fotoapparate rund um sein Modell. Fotografierte es zeitgleich aus den verschiedenen Blickwinkeln. Danach projizierte er die einzelnen Fotos auf die Oberfläche des Materials, das wiederum mit einem an einem Pantografen festgeklemmten Messer bearbeitet wurde. Sehr modern, aber seinerzeit auch umstritten: Ist das noch Kunst? Heute würde er vermutlich seine Skulpturen lässig mit einem der 3D-Drucker printen. Willème ist einer von 60 Künstlern und Künstlerinnen der Ausstellung "Dimensions - digitale Kunst seit 1859", die in den Leipziger Pittlerwerken auf 10.000 Quadratmetern zu erleben ist.
Das Publikum kann in endlosen Räumen in den Entdeckermodus schalten und viele unbekannte Positionen entdecken. "Alles andere wäre langweilig. Wir zeigen wenig KI-Kunst, weil sie Fake ist", sagt Kurator Richard Castelli. Der raumgreifende 3D-Film "Movement L" von Ulf Langheinrich basiert auf Realaufnahmen, die am Ende jedoch eine algorithmische Bilderfindung sind. Es geht dem Künstler um die vampiristische Einverleibung von Lebendigem durch KI. Der Künstler möchte ein Gefühl von Leere auslösen - in einer digitalen Welt in der ständig "geile Nichtigkeiten", so der Katalog, aufpoppen. Auf dem alten Fabrikgelände aus der Gründerzeit ist reichlich Platz für monumentale Installationen. Schon die Größe der Fabrik haut die Besucherinnen und Besucher um. Auf dem Areal mit insgesamt 30.000 Quadratmetern sind bereits eine Metalldesignwerkstatt, eine Galerie für analoge Fotografie, eine Schnapsbrennerei und ein Café fest eingezogen. Andere Firmen und Kulturangebote sollen folgen.
Wie sich digitale Kunst verändert hat, wird mal in riesigen Hallen, in unendlich langen Sälen oder in kleinen Kabinetten gezeigt. Geschichte und Gegenwart vernetzen sich wortwörtlich. 1889 gründete der Erfinder und Techniker Julius Wilhelm Pittler hier in Leipzig Wahren seine Maschinenfabrik. Bis in die 1990er Jahre wurden nach seinen Patenten Werkzeugmaschinen zusammengebaut. Während der Industrialisierung wurde das gesellschaftliche Leben schon einmal durch Technik revolutioniert. So wie am jetzigen digitalen Wendepunkt, der nicht wirklich fassbar ist.