Gegen alle Widerstände
ZDF
Die EZB belässt den Leitzins bei null Prozent und bleibt sie ihrem Kurs treu. Dafür erntet sie auch Kritik.
"Wir werden aufmerksam bleiben" sagte Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), an diesem Donnerstag auf ihrer Ratssitzung. Sie wird alles im Blick haben: Die nicht in erhofftem Maße abnehmenden Inflationszahlen im Euroraum zum Beispiel - im Januar lag die Teuerungsrate bei 5,1 Prozent. Ebenso weiß die EZB, dass Corona mit dem milden Verlauf der Omikron-Variante seinen Schrecken für die Wirtschaft verloren hat und diese sich in der Eurozone fortschreitend erholt. Aber zu sofortigem Handeln lässt sich die EZB nicht hinreißen.
"Die Situation hat sich in der Tat geändert," sagt Christine Lagarde und prescht damit für diplomatische Verhältnisse schon fast weit vor. Zum sofortigen Handeln gezwungen, sieht sie sich aber nicht. Der Dreh an der Zinsschraube bleibt weiter aus. Aber er könnte durch die heutigen Aussagen etwas früher kommen, als angenommen.
Nach wie vor sieht die EZB die Einschränkungen durch die Corona-Beschränkungen, Lieferengpässe der Industrie und die hohen Energiepreise als Dämpfer für die Konjunktur im ersten Quartal 2022. Das dürften auch die Gründe sein, warum Lagarde auf dem "Vorerst weiter so" beharrt.
Die Corona-Pandemie wird uns noch eine Weile begleiten, aber sie verliert offenbar auch im EZB-Gebäude am Main langsam ihren Schrecken. Mit jeder Welle kommt die Wirtschaft offenbar besser durch die Krise. Die EZB hofft auf den anspringenden Konjunkturmotor Mitte dieses Jahres und schließt Zinserhöhungen für 2022 nicht mehr kategorisch aus. Das liegt auch daran, dass sich der europäische Arbeitsmarkt schrittweise erholt. Für die Währungshüter ist er ein wichtiger Faktor für Zinsschritte.
Nach der heutigen Sitzung der EZB fällt eines auf: Die Notenbank ändert ganz gemächlich ihren Kurs. Behutsam. Das mag manchem zu langsam gehen, aber offenbar für die große "Arche Noah" alias "Arche Christine" schnell genug, um alle Wirtschaften Europas sicher durch den wirtschaftlichen Wellenschlag zu steuern.
Für Otto Normalverbraucher wird allerdings schwer nachvollziehbar sein, dass die EZB akut nichts gegen ständig steigende Preise unternimmt und es kleineren Einkommen immer schwerer fällt, das Geld für das Nötigste aufzubringen. Und auch am Aktienmarkt sind Anleger enttäuscht. Der Dax verliert mehr als ein Prozent. Mit ihrem Kurs entfernt sich die EZB auch immer mehr von dem anderer Notenbanken.
Die US-Notenbank FED will mehrmals dieses Jahr die Zinsen anheben. Die EZB hält sich alles offen. Damit ist die Kritik nach der heutigen Ratssitzung nun wieder lauter geworden. An ihrem "Wir werden aufmerksam bleiben" wird Christine Lagarde künftig wohl weiter gemessen werden.