Gefallenes Idol: Berlinale-Doku über Boris Becker feiert Premiere
DW
Seit fast 40 Jahren ist der ehemalige Wimbledon-Sieger Boris Becker eine öffentliche Person. Die Berlinale-Doku "Boom! Boom! The World vs. Boris Becker" will hinter die Fassade des früheren Tennisspielers blicken.
Um einen journalistischen Text in der Ich-Form zu beginnen, braucht es einen guten Grund. Boris Becker ist so ein Grund: Es gibt kaum jemanden, der keine persönlichen Erinnerungen mit ihm verbindet. Die Dokumentation "Boom! Boom! The World vs. Boris Becker", die am Sonntag auf der 73. Berlinale ihre Weltpremiere feierte, widmet sich dem Menschen hinter der öffentlichen Person, den viele wie selbstverständlich für sich vereinnahmt haben.
Als Boris Becker zum ersten Mal das Tennisturnier auf dem heiligen Rasen von Wimbledon gewann, war ich sechs Jahre alt und noch zwei Monate von meiner Einschulung entfernt. Die Erinnerungen sind etwas verschwommen und wahrscheinlich überhaupt nur vorhanden, weil bei uns Zuhause sonst nie tagsüber der Fernseher lief, schon gar nicht im Hochsommer. Niemand in meiner Familie oder im Freundeskreis spielte Tennis, aber es war eine Selbstverständlichkeit, dabei zu sein, als dieser Teenager in Londons Südwesten binnen Wochen zum Weltstar wurde. Ein Held mit 17, enorme Fallhöhe inbegriffen.
Dokumentarfilmer Alex Gibney räumt jenem Sommer viel Platz ein. "So etwas hat es nie zuvor gegeben", sagt Becker im Film. Am 7. Juli 1985 wurde er zum bis heute jüngsten Wimbledon-Sieger, alle Welt kannte fortan die Becker-Faust, den Becker-Hecht, sein Pusten auf die Fingerkuppen, bevor der Gegner aufschlug. Sein physisches und schnelles Spiel, die harten Aufschläge und Returns brachten ihm im britischen Boulevard den Spitznamen "Boom Boom" ein, deutsche Medien übernahmen ihn. Becker gefiel er nie.
Nach einer Durststrecke ohne Turniersiege verteidigte er 1986 sensationell seinen Titel in Wimbledon. Im Autokorso durch seine Heimatstadt Leimen fuhr er anschließend nur noch widerwillig. Entzieht sich ein Idol der Zuneigung der Masse, wird sie schnell skeptisch. "Gerade in Deutschland wird es oft nicht zugelassen, dass der jüngste Wimbledon-Sieger aller Zeiten erwachsener geworden ist", sagte Becker vor der Filmpremiere auf der Berlinale.
"Boom! Boom! The World vs. Boris Becker", in Auftrag gegeben vom Streaming-Anbieter AppleTV, besteht aus zwei Teilen. Auf der Berlinale ist nur der erste zu sehen. Titel: "Triumph". Er ist im wesentlichen ein Zusammenschnitt der großen Duelle gegen Ivan Lendl, Stefan Edberg oder John McEnroe, launig inszeniert wie Western, unterlegt mit Musik von Ennio Morricone. Dazu teilen ehemalige Weggefährten und Gegner ihre Erinnerungen.