Gastkommentar: Die Ukraine, Frank-Walter Steinmeier und seine Formel
DW
In Deutschland ist die "Steinmeier-Formel" zur Befriedung des Donbass kaum ein Begriff. In der Ukraine ist sie jedoch unvergessen, weshalb der Bundespräsident dort nicht willkommen ist, meint Juri Andruchowytsch.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war in Kiew unerwünscht. Es wurde nicht mitgeteilt, wer genau in der ukrainischen Führung diese Entscheidung getroffen hat. Jedenfalls konnte sich Steinmeier nicht der kleinen Gruppe anderer europäischer Staatspräsidenten anschließen, die in Kiew freudig empfangen wurde.
Warum ist dem deutschen Bundespräsidenten solcher Ärger widerfahren? Im vorigen Satz kann man die logische Betonung sowohl auf das Wort "deutsch" als auch auf das Wort "Bundespräsident" legen. Noch bin ich unsicher, welches von ihnen in diesem Fall stärker betont werden sollte.
Zunächst aber ein kleiner Exkurs in meine persönliche Vergangenheit. Im Spätsommer des Jahres 2016 war ich in Weimar, wo mir zusammen mit einem prominenten nigerianischen Fotografen und einem nicht minder prominenten georgischen Archäologen die Goethe-Medaille verliehen wurde. Beim offiziellen Abendprogramm gab es ein Treffen mit drei Außenministern. Zu Erinnerung: Deutschland, Polen und Frankreich bilden das sogenannte "Weimarer Dreieck". Die Außenminister der drei Länder treffen sich von Zeit zu Zeit - nicht unbedingt in Weimar, aber damals war es dort. Laut Programm sollten die drei Minister auf die drei frischgebackenen Preisträger zukommen und ihnen gratulieren.
Unser Treffen dauerte zwischen einer und maximal drei Minuten. Der Franzose schien ein wenig gelangweilt, vielleicht war er einfach müde. Der Pole wirkte mit irgendetwas unzufrieden und mürrisch. Nur der damalige deutsche Außenminister Steinmeier strahlte eine Art Kumpelhaftigkeit aus. Mir kam es vor, als könne er sich kaum zurückhalten, uns auf die Schulter oder den Rücken zu klopfen. Dann sagte er so etwas wie "Oh, gut gemacht, herzlichen Glückwunsch… Die Goethe-Medaille! Super, super… Kann jemand sagen, wofür sie vergeben wird - für welche Verdienste?" In diesem Ton sprach er mit uns dreien. Es war eine blitzschnelle Episode, in der uns niemand wirklich zuhörte. Als die TV-Kameras ihre Arbeit getan hatten, zog das Minister-Trio weiter.
Akinbode Akinbiyi, David Lordkipanidze und ich tauschten später unsere Eindrücke von diesem sogenannten "Treffen" aus. Wir waren uns einig, dass uns alles ziemlich unprofessionell vorkam und dass Steinmeiers Frage eher als Scherz zu betrachten war - wenn auch als missglückter. Andernfalls würde es einem noch trauriger zumute. Keiner von uns hatte irgendwelche Verbeugungen der Minister vor uns erwartet. Aber diese offensichtliche Oberflächlichkeit - und die weniger offensichtliche, aber spürbare Hochnäsigkeit - das enttäuschte uns dann doch.