Gastbeitrag: Die neue Kulturlandschaft
Frankfurter Rundschau
Aufgabe der Politik ist es, die Kunst zu den Menschen zu bringen. Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Schneider.
Die Pandemie trifft die Kulturlandschaft schwer. Hat das jemanden überrascht? Ja, zumindest was die existenziellen Folgen der Künstler:innen betrifft; denn die sind katastrophal. Nein, weil schon lange die öffentliche Debatte um Systemrelevanz zu erwarten war. Wenn alles gut läuft, werden die Künste gerne goutiert, in Krisenzeiten ist selbst die Schließung von Kultureinrichtungen möglich und der Verzicht offensichtlich verzeihbar. Dabei ist das, was dort in Werk und Wirken geboten wird, vor allem eine gesellschaftlich konstituierende Angelegenheit. Wenn Sinn und Wert des kreativen Schaffens kulturpolitisch nicht ausgehandelt werden, dann wird sich nach Corona nichts ändern. Es gilt deshalb, jetzt nachhaltig die Weichen zu stellen, damit der Lohn kultureller Arbeit zukünftig zum Leben reicht und die künstlerische Kreativität als gesellschaftliches Gut gewertschätzt wird. Vor zwei Jahrzehnten gab es mal eine „Unabhängige Hessische Kulturkommission“, die im Auftrag der Landesregierung Entwicklungen für die regionale Kulturlandschaft vom Odenwald über die Mainmetropole, von Marburg und Fulda bis Kassel formulierte. Vorsitzender war damals der legendäre Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, der – wie sollte es anders sein – in sozialdemokratischer Tradition mehr Kultur für alle propagierte, ein Programm zur Selbstermächtigung junger Künstler:innen forderte und vorschlug, Kinder und Jugendliche in vielfältiger Weise mit zeitgenössischen Artefakten zu konfrontieren. Damals ohne Folgen. Der Bericht könnte heute aber immer noch helfen, aus Perspektiven Politik zu machen. Die amtierende Kunstministerin, Angela Dorn, versucht es derzeit erneut mit konzeptionellen Überlegungen und initiierte einen „Masterplan Kultur“. Zentrale Themenfelder wie Digitalisierung und Diversität, ehrenamtliches Engagement und öffentliche Förderung sollen „beleuchtet“ und mit „Anregungen und Erfahrungen aus der Praxis weiterentwickelt“ werden. Das klingt nach Beteiligung, ist aber auf dem digitalen Wege nicht wirklich hilfreich, zumal die Expert:innen gleichzeitig immer auch Lobbyist:innen in eigener Sache sind. Arbeitsgruppen müssen in kurzer Zeit Ergebnisse generieren und berufsmäßige Moderatoren das Ganze didaktisch zügeln. Das dient nicht immer der Qualität der Diskurse, auch wegen fehlenden Tiefgangs und mangelnder Schärfung.More Related News