Gas-Stopp: Deutsche Wirtschaft fürchtet schwere Krise
ProSieben
Noch ist unklar, ob Putins Anordnung «Gas nur für Rubel» nur ein Papiertiger ist oder dem Westen große Versorgungsprobleme bringt. Die Wirtschaft ist alarmiert: Ein kurzfristiger Wegfall russischer Lieferungen wäre verheerend.
In der deutschen Wirtschaft gibt es große Befürchtungen, dass die Bundesrepublik in eine schwere Krise stürzen könnte, sollte Moskau die Gaslieferungen einstellen oder der Westen Russland mit einem Energieembargo belegen. So warnte BASF-Chef Martin Brudermüller für den Fall eines Importstopps oder längerfristigen Ausfalls von Gas- und Öllieferungen aus Russland vor beispiellosen wirtschaftlichen Schäden. «Das könnte die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen», sagte Brudermüller der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».
Auch die Bau- und Energie-Expertin Lamia Messari-Becker, die die Bundesregierung berät, warnte für den Fall eines Stopps russischer Gaslieferungen vor verheerenden Folgen. «Wenn Grundstoff-Industrien zum Erliegen kämen, würde ein Dominoeffekt entstehen, der nicht mehr aufzuhalten und nur schwer reparabel wäre», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Siemens-Energy-Chef Christian Bruch sagte dem «Handelsblatt», bei einem kurzfristigen Boykott seien die negativen Auswirkungen für Deutschland größer als der Effekt auf Russland. Für manche Branchen sei die Gasversorgung existenziell. «Nehmen Sie nur die Glasindustrie. Wenn die Anlagen einmal kalt fallen, sind sie hinüber.»
Westliche Staaten wie Deutschland müssen nach russischer Darstellung von Freitag an Konten bei der Gazprombank eröffnen, um weiter Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für «unfreundliche Länder» eingestellt, hatte Präsident Wladimir Putin angekündigt. Die Staaten müssen demnach über die Konten, die einen Bereich für Valuta - also Euro oder Dollar - und einen für Rubel haben, eine Zahlung in russischer Währung sicherstellen. Laut dem von Putin unterzeichneten Dekret können weiter in Euro oder Dollar auf das russische Konto eingezahlt werden. Die Gazprombank tauscht das Geld dann in Rubel und überweist den Betrag an Gazprom.
Die Bundesregierung beharrt darauf, Zahlungen müssten wie vereinbart in Euro oder Dollar erfolgen. Die genauen Auswirkungen der geänderten Modalitäten sind unklar. Analysten in Moskau gehen davon aus, dass das System erst im April und Mai zur vollen Wirkung kommt. Fachleute erwarten nicht, dass die Änderungen große Konsequenzen für deutsche Firmen mit sich bringen.
Bei den Unternehmen wird die Entwicklung genau beobachtet. Beim Stahlkonzern Salzgitter hieß es: «Ohne Erdgas keine Produktion von Stahl.» Der Politik müsse klar sein, dass von der Produktion wiederum die Energieversorgung und die Energiewende abhingen, sagte ein Konzernsprecher.