Görlach Global: Die Invasion der Ukraine - Vorbild für das Schicksal Taiwans?
DW
Wladimir Putin und Xi Jinping sind Brüder im Geiste. Und deswegen schaut China derzeit sehr genau auf Putins Krieg gegen die Ukraine, obwohl zu Beginn Skepsis in Peking herrschte, meint Alexander Görlach.
Wie nahe beieinander die finsteren Weltbilder des russischen Diktators Wladimir Putin und seines chinesischen Counterparts Xi Jinping sind, hat der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gezeigt. In einer erratischen Fernsehansprache sprach der Machthaber des Kreml von der Notwendigkeit, Russland mit der Ukraine zu vereinigen.
Das souveräne Nachbarland stellt für Putin kein eigenes Land dar, sondern einen angeblichen Teil Russlands. Putin spricht von der Ukraine wie Xi Jinping von Taiwan. Der chinesische Machthaber glaubt, dass Taiwan eine Provinz Chinas sei. Die Invasion Taiwans hat Xi bereits mehrfach angekündigt, sie gar zu seinem Lebensprojekt ausgerufen. Dabei hat die Volksrepublik niemals auf Taiwan Macht ausgeübt. Seit 1949 ist Taiwan ein eigenes Land, seit den frühen 1990er-Jahren eine Demokratie.
Auch die Menschen in der Ukraine haben 1991 entschieden, einen eigenen, von Russland losgelösten Weg einzuschlagen. Beide, die Ukraine und Taiwan, sind heute völlig neue und eigenständige Staaten. Beide, Xi und Putin, träumen jedoch immer noch von einer vergangenen Zeit, in der die Unterdrückung ganzer Völker mit einem Federstrich vom Thron herab angeordnet werden konnte. Das internationale Recht gilt beiden nichts, vielmehr setzt das Recht des Stärkeren die Geschicke der Welt.
Nicht nur in seiner bizarren Rede zu Beginn seines Invasionskriegs hat Putin davon gesprochen, Russland seinen Platz in der Geschichte zurückgeben zu wollen. Den Untergang der UdSSR hat er als "größte geopolitische Katastrophe" bezeichnet. Auch Xi ruft die Geschichte als vermeintlichen Zeugen an: China solle dank ihm den Platz zurückerhalten, der dem Land historisch zustünde. Die alte, vergangene Größe, die der Westen zerstört habe, soll wieder erstehen. Auch Putin macht den Westen für den Untergang der Sowjetunion verantwortlich.
Beide Präsidenten eint der Hass auf Menschenrechte, Freiheit und Demokratie. Nichts von alledem wird in den finsteren Reichen der sinistren Führer gewährt. Ganz im Gegenteil: In Xis Reich sitzen eine Million Menschen aufgrund ihrer Religion und Kultur in Konzentrationslagern ein. Sie werden tagtäglich erniedrigt und überwacht, ihnen werden genetische Proben entnommen, Frauen sterilisiert. Der US-Kongress nennt das grausame Vorgehen der chinesischen Führung an den Uiguren in der Provinz Xinjiang zurecht einen Genozid. Auch die Tibeter werden seit Jahrzehnten von Peking unterdrückt, ihre Kulturdenkmäler zerstört und das Recht auf ein Leben in Freiheit mit Füßen getreten.