Gänsehaut im Schattender Alten Oper
Frankfurter Rundschau
Lokalmatador John Degenkolb wird beim Radklassiker Eschborn - Frankfurt wenige Meter vor dem Ziel von Jasper Philipsen abgefangen.
Am Ende liefen die Tränen. John Degenkolb ließ seinen Emotionen freien Lauf, weinte hemmungslos in den Armen seiner Mutter. Große Bilder, ein Gänsehautmoment im Schatten der Alten Oper. Zehn Jahre nach seinem Triumph beim deutschen Radklassiker Eschborn - Frankfurt schien es, als könnte der 32 Jahre alte Radprofi aus dem hessischen Oberursel seine Heimrennen zum zweiten Mal gewinnen. „Als ich das 300-Meter-Schild gesehen habe, bin ich losgefahren“, beschrieb Degenkolb mit feuchten Augen die entscheidenden Sekunden auf der Zielgeraden. Für ihn gab es in diesem Moment eben nur „alles oder nichts“. An seinem Hinterrad klebte allerdings Jasper Philipsen. Der 23 Jahre alte Belgier vom Team Alpecin-Fenix schoss rund 100 Meter vor dem Ziel aus Degenkolbs Windschatten nach vorne und raubte ihm doch noch den so sehr herbeigesehnten zweiten Sieg in Frankfurt. Degenkolb blieb „nur“ der undankbare Platz zwei, Rekordsieger Alexander Kristoff aus Norwegen (UAE Team Emirates) wurde noch Dritter. Für den letztmaligen Triumphator von 2019, Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe), blieb nur Rang fünf.
Mit viel Kraft und einem unbändigen Willen war Degenkolb nach vorne geprescht, stand früh im Wind. Vielleicht sogar zu früh? Diese Frage stellte sich ihm nicht. „Wenn ich nicht als Erster losgefahren wäre, hätte ich auch nicht mehr an Jasper vorbeikommen können“, sagte Degenkolb, „dafür ist er zu spritzig“.
Mit etwas zeitlichem Abstand konnte sich Degenkolb dann doch freuen. Weniger über seinen zweiten Platz. Wohl aber über seine starke Vorstellung während der am Ende von Krämpfen begleiteten knapp 188 Kilometer. „Der Druck war groß, allen beweisen zu wollen, dass ich es noch drauf habe“, sagte Degenkolb trotzig. Er habe in dieser Saison viel Kritik an seiner Person gegeben. Diese beeindruckende Leistung aber stand für sich.