Friedrich Merz hat nun alles - nur keine Ausrede mehr
Süddeutsche Zeitung
Die CDU gibt sich ganz ihrem neuen Vorsitzenden und baldigen Fraktionschef hin. Das verschafft ihm viel Macht. Doch ab jetzt heißt es für den 66-Jährigen: Wehe, er kann nicht liefern, was sich die Partei von ihm erhofft.
Ralph Brinkhaus war eigentlich kein schlechter Fraktionsvorsitzender. Es gibt unter den Abgeordneten des Bundestags nicht viele, die ohne Spickzettel so unfallfreie Reden halten können wie er. Trotzdem ist es richtig, dass Brinkhaus nun den Vorsitz der Unionsfraktion für Friedrich Merz frei macht. Er hatte in der gegenwärtigen Merz-Euphorie, die in der CDU um sich greift, schlichtweg keine andere Wahl. Und es spricht wiederum für Brinkhaus, dass er das gerade noch rechtzeitig eingesehen hat.
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Angesichts dessen, was Friedrich Merz gerade widerfährt, wäre es fast schon wieder untertrieben, von einem Lauf zu sprechen. Es ist eher ein Durchmarsch. Merz hat nun binnen weniger Wochen all das bekommen, was ihm ein Leben lang verwehrt zu bleiben schien. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem er zum wiederholten Mal in einer Stichwahl um den Parteivorsitz gescheitert war und er sich nachdrücklich mit der Frage beschäftigt hatte, ob er endgültig aus der Politik aussteigt, hat ihn die CDU mit einem annähernd nordkoreanischen Ergebnis doch noch zum Parteichef gewählt. Und 20 Jahre, nachdem ihn Angela Merkel vom Fraktionsvorsitz verdrängt hatte, holte er sich nun auch diesen wieder zurück - in einem Machtkampf, der sich ausnahmsweise hinter den Kulissen zutrug.
Merz war bisher nicht für eine übertriebene Bescheidenheit bekannt. Aber dass sich ihm die Union bei seinem Comeback so vollumfänglich unterwerfen würde, damit hat er wohl nicht einmal selbst gerechnet, was sich auch in seinen öffentlich vergossenen Tränen bei der Verkündung seines Wahlergebnisses ausdrückte. Es gibt aber zwei wesentliche Gründe, die erklären, wie der Outsider Merz in so kurzer Zeit zu Friedrich dem Großen aufsteigen konnte: seine ganz persönliche Lernkurve sowie der Zustand der CDU.
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