![Frauenfußball: Signale aus Herzogenaurach](https://www.fr.de/bilder/2023/06/26/92364969/32105534-voll-fokussiert-sara-daebritz-ist-von-einer-starken-wm-ueberzeugt-147SkWVtAuef.jpg)
Frauenfußball: Signale aus Herzogenaurach
Frankfurter Rundschau
Die mediale Aufmerksamkeit spiegelt nicht den sportlichen Stellenwert jeder deutschen Fußballerin wider.
So ein Media Day erinnert immer ein bisschen an Speed-Dating. Gerade wenn die Veranstaltungen so ablaufen wie bei den deutschen Fußballerinnen am Montag im Gebäude „Halftime“ auf dem Gelände des Sportartikelgiganten Adidas in Herzogenaurach. Auf den Tischen liegen die Zettel mit den Namen der DFB-Frauen, so dass aus der Zahl der Journalisten um jede Spielerin auch ein bisschen der Stellenwert vor der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) abzulesen ist. Doch stimmt das wirklich? Während Torjägerin Alexandra Popp bei solchen Terminen regelrecht belagert wird, sitzt Verteidigerin Marina Hegering bisweilen ungefragt alleine in der Ecke.
Beide Stützen vom VfL Wolfsburg kennen es kaum anders, aber weder die eine noch die andere stört sich groß daran. In der internen Hierarchie stehen die 32-jährige Kapitänin und die 33-jährige Abwehrchefin fast auf derselben Stufe. Nicht wenige sind der Ansicht, dass der dritte WM-Titel nur gewonnen werden kann, wenn die oft verletzte Hegering mit ihrem umsichtigen Stellungs- und Aufbauspiel durchhält. Und so stimmt die mediale Strahlkraft nicht immer mit der sportlichen Bedeutung überein.
Dasselbe gilt eigentlich auch für die Vorbereitung: Richtig aussagekräftig sind die Resultate für ein Turnier selten. Oder doch? Es besteht gerade keine Einigkeit, was das bis Mittwoch dauernde erste Trainingslager inklusive des verrutschten Tests gegen Vietnam (2:1) bedeutet. Ein Weckruf, dass der zweifache Weltmeister mal besser seine Ansprüche für die Mission in Down Under runterfährt? Oder alles einen Monat vor dem ersten WM-Spiel gegen Marokko in Melbourne (24. Juli) halb so wild?
Klar, dass die Spielerinnen eher der zweiten These anhängen. „Wir haben einen hervorragenden Kader und ausreichend Zeit, uns vorzubereiten“, versicherte Führungskraft Sara Däbritz. Das ungenaue Passspiel werde man abstellen, die taktische Dinge anpassen. „Da kommen wir wieder rein, da mache ich mir keine Sorgen.“ Und ihre Kollegin Lena Lattwein erinnerte: „Vor der EM lief ja auch nicht alles rund.“ Doch die intelligente Mittelfeldspielerin kann damit nur die Länderspiele aus dem Frühjahr gemeint haben.
Im April 2022 wurde ein WM-Qualifikationsspiel in Serbien (2:3) in den Sand gesetzt, in diesem Jahr ein Testspiel gegen den möglichen WM-Achtelfinalgegner Brasilien (1:2). Doch vor der EM in England war das Team im Gegensatz zu diesmal komplett – und am 24. Juni vergangenen Jahres gab ein Kantersieg in Erfurt im einzigen Vorbereitungsspiel gegen die Schweiz (7:0) einen Vorgeschmack auf den famosen EM-Start gegen Dänemark (4:0). Durch die frühere Terminierung hatten die Akteure aber auch keinen wochenlangen Urlaub vorher. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kündigte wohl deshalb nun „viel Arbeit auf dem Trainingsplatz“ an, weil sie weiß, dass „Copy & Paste“ im Fußball selten funktioniert; dass ein „Geist von Herzogenaurach“ nicht entsteht, nur weil alle davon reden. Die 55-Jährige erweckt längst den Eindruck, als habe sie alle Antennen ausgefahren, weil sie die Warnsignale wahrnimmt.