Franz Schubert: Das Innerste nach Außen kehren
Frankfurter Rundschau
Seine Musik führt einen hinein in die eigene Einsamkeit: Vor 225 Jahren wurde der Komponist geboren. Von Arno Widmann
Lesen Sie nicht weiter. Sehen Sie sich bitte erst einmal die Zeichnung an. Sie stammt von dem spätromantischen Maler und Schubert-Freund Moritz von Schwind (1804-1871). „Schubertiade“ nannte er die 1868 entstandene Skizze. „Schubertiaden“ nannten die Schubert-Freunde die Konzerte, die Schubert für sie gab. Mein Verdacht ist, dass die Veranstaltungen nicht so prachtvoll waren, wie sie der Maler mehr als vierzig Jahre später darstellte. Es soll die Rekonstruktion einer Schubertiade vom 15. Dezember 1825 gewesen sein. Viele der Teilnehmer lebten damals noch. Sie hatten Karriere gemacht und hätten es nicht goutiert in den ausgebeulten Hosen, in den schlecht sitzenden Jacketts dargestellt zu werden, die sie als zwanzigjährige Kunstenthusiasten trugen. Die Damenwelt gar, die jetzt das Bild fast schon beherrscht, wird damals nicht diese Rolle gespielt haben.
Der Herr mit Brille am Klavier – das ist Franz Schubert. Vor ihm sitzt Johann Michael Vogl (1768 – 1840), also der Mann, in dessen Schlepptau Schubert zu einer Wiener Berühmtheit wurde. Vogl war ein allseits bewunderter Opernsänger und er hatte Gefallen an Schuberts Liedern gefunden. Fast keine „Schubertiade“ ohne ihn, keine ohne seinen Gesang.
Franz Schubert wurde am 31. Januar 1797 in der Gemeinde mit dem verheißungsvollen Namen Himmelpfortgrund geboren. Sie gehört heute zu Wien. Franz Schubert war das dreizehnte von zwanzig Kindern. Neun von ihnen erreichten immerhin das Erwachsenenalter. Franz Schubert starb im Alter von 31 Jahren – nach einer Syphilis Erkrankung – wahrscheinlich an Typhus. Ersten Geigenunterricht erhielt Schubert von seinem Vater, einem Schulleiter, im Alter von fünf Jahren. 1808 wurde er Sängerknabe in der Wiener Hofmusikkapelle und wurde aufgenommen ins kaiserlich Konvikt. Mit dreizehn begann er zu komponieren. Mit vierzehn ein erstes Streichquartett. Er hörte nie wieder auf zu komponieren.
Zwei Jahre lang unterrichtete Franz Schubert an der Schule, deren Leiter sein Vater war. Sein Bruder Ferdinand unterrichtete ebenfalls dort. Die ersten von Schuberts heute noch bekannten Kompositionen waren Werke des Hilfslehrers Schubert. Sein Freund Franz von Schober bot ihm an, bei ihm einzuziehen – Kost und Logis frei – und seinen Lehrerberuf aufzugeben. So begann Schubert seine Karriere als freier Komponist. Meist lebte er bei und mit Freunden oder – am Ende – bei seinem Bruder. Eine Zeitlang wohnte er mit Johann Mayrhofer, einem Dichter, dessen Brotberuf es war, die Werke seiner Kollegen auf ihre Staatstreue hin zu überprüfen. Er war Zensor. Aus dem ganzen Schubertkreis ist kein einziges Wörtchen gegen Metternichs Meinungsdiktatur überliefert. So sehr einige von ihnen auch mit dem Leben hadern mochten – Mayrhofer nahm sich 1836 das Leben, indem er sich aus dem dritten Stock seines Dienstgebäudes stürzte -, gegen das politische Regime rebellierte keiner von ihnen.
Wer heute ins Konzert geht und Schubert hört, kommt sich ganz altmodisch vor, denn er könnte nahezu alle Werke des Komponisten sich jederzeit über sein iPhone zuspielen lassen. Wir leben inmitten der Allgegenwart fast aller Musik. Das ist sehr neu.