Frantz Fanon: Gegen die Kolonialisierung von Land und Seele
Frankfurter Rundschau
Vor 60 Jahren erschien Frantz Fanons antikolonialistisches Manifest „Die Verdammten dieser Erde“. Von Malte Osterloh
Ob es vor der Kolonialisierung durch Frankreich überhaupt eine algerische Nation gegeben habe, hat Emmanuel Macron vor kurzem gefragt. Die Behauptung, die in der Frage des französischen Präsidenten mitschwang, dass der Kolonisator nicht Ausbeutung, sondern vor allem Nation Building betrieben habe, löste in Algerien Empörung aus. Algier rief seinen Botschafter aus Paris zurück und sperrte seinen Luftraum für französische Kampfflugzeuge.
Dass Algerien gerade wegen der Kolonialisierung keine Nation sei, ist eine der Schlüsselthesen von Frantz Fanons berühmtestem Buch, „Die Verdammten dieser Erde“, das vor 60 Jahren erschien. Fanon war eine der bedeutendsten Figuren des algerischen Freiheitskampfes. Geboren 1925 in Martinique, im Zweiten Weltkrieg Soldat in der Armee de Gaulles, ausgebildet zum Arzt und Psychiater in Frankreich, ging er 1953 nach Algerien, wo er am Krankenhaus in Blida praktizierte. Mit dem Beginn des Algerienkrieges schloss er sich der FLN an, der Nationalen Befreiungsfront, deren Ziel die Beendigung der französischen Kolonialherrschaft war. Am 6. Dezember 1961 starb Fanon mit 37 Jahren in einem Krankenhaus im amerikanischen Maryland an Leukämie. Drei Tage zuvor war „Die Verdammten dieser Erde“ erschienen, das in Frankreich sofort verboten wurde.
Berühmt, ja berüchtigt wurde „Die Verdammten dieser Erde“ aufgrund seines ersten Kapitels „Von der Gewalt“, und oft wurde es darauf reduziert: „Dekolonisation ist immer ein Phänomen der Gewalt“, heißt es dort in der deutschen Übersetzung. Allerdings stellt Fanon diese Gewalt nicht als ein Mittel der Wahl dar; sie ist vielmehr das einzig mögliche Mittel, denn der Kolonialismus „ist die Gewalt im Naturzustand und kann sich nur einer noch größeren Gewalt beugen“.