Frankfurt: „Sie ging immer voller Stolz“
Frankfurter Rundschau
Vor 30 Jahren wurde die Auschwitz-Überlebende Blanka Zmigrod in Frankfurt ermordet. Nach ihrer Nichte Renée Salzman hat auch ihr Neffe Leon Sztabelski mit der FR über seine Erinnerungen gesprochen.
Wenn man Leon Sztabelski fragt, wie seine Tante war, fällt ihm sofort ein Vergleich ein: Lilli Palmer. Seine Tante habe sehr auf ihr Äußeres geachtet und eine edle Ausstrahlung gehabt, sagt Sztabelski – ein wenig wie die berühmte Schauspielerin, die mit Weltstars wie Gary Cooper und Romy Schneider drehte. „Sie ist gegangen wie eine gerade Kerze, immer voller Stolz“, sagt der 74-Jährige. Und obwohl seine Tante etwas eitel gewesen sei, sei sie sich nie zu schade gewesen, sich die Hände schmutzig zu machen. „Sie war fleißig und arbeitsam, das ist unvorstellbar.“
Die Tante von Leon Sztabelski, einem Weinhändler aus Neuss, ist Blanka Zmigrod, eine Cousine seiner Mutter. In Frankfurt wird derzeit viel über sie gesprochen, weil die 1924 im polnischen Chorzów geborene Zmigrod, die als Jüdin mehrere Konzentrationslager überlebt hatte und seit den 60er-Jahren in Frankfurt lebte, am 23. Februar 1992 im Kettenhofweg ermordet worden war. Zu ihrem 30. Todestag wird bei einer Kundgebung eine Gedenkplakette für Blanka Zmigrod enthüllt.
Anfang Februar hatte die Frankfurter Rundschau in einem viel beachteten Text aus dem bewegten Leben von Blanka Zmigrod berichtet und sich dabei auf die Erinnerungen der Unternehmerin Renée Salzman gestützt, die in Israel lebt und deren Leben eng mit Zmigrod verknüpft war. Auch Leon Sztabelski erinnert sich noch lebhaft an seine Tante Blanka. Er ist der ältere Bruder von Renée Salzman, lebt aber im Gegensatz zu ihr bis heute in Deutschland. Richtig kennengelernt hat er Blanka Zmigrod im Alter von neun Jahren in Tel Aviv.
Geboren wurde Leon Sztabelski 1947 in Regensburg als Sohn der polnischen Holocaustüberlebenden Rosa und Adam Sztabelski. Aufgewachsen ist er in Polen. Sein Vater sei nach dem Krieg zurückgegangen, um überlebende Verwandte zu finden, sagt Sztabelski – leider ohne Erfolg. Im Jahr 1956 emigrierte die Familie – Leons Schwester Renée war 1953 geboren worden – nach Israel. Sztabelski hat noch die nächtliche Landung am Flughafen von Tel Aviv vor Augen. „Das Erste, was wir bekommen haben, war ein Glas Orangensaft“, sagt er. „Das hat mich beeindruckt, in Polen hatte es so was nicht gegeben.“
Nach einer kurzen Zeit in Tiberias lebten die Sztabelskis länger in Tel Aviv bei Blanka Zmigrod, die kurz nach dem Krieg nach Israel gegangen war und mit ihrem Partner Sascha Feldman zusammenwohnte. „Ich bin mit ihr sehr gut zurechtgekommen“, berichtet Leon Sztabelski. „Wenn sie jemanden gemocht hat, hat sie ihn in ihr Herz geschlossen und dann war sie für ihn da, egal, was war.“ Die Lage sei damals, mitten in der Suezkrise, ernst gewesen, berichtet Sztabelski. Seine Eltern hätten stets einen gepackten Koffer bereitgehalten, um bei einer weiteren Eskalation des Krieges zum Meer fliehen zu können.