Flucht aus der Ukraine: Die Hautfarbe macht den Unterschied
Frankfurter Rundschau
Studierende aus Afrika werden auf der Flucht aus der Ukraine behindert. Die Afrikanische Union ist alarmiert.
Lwiw - Auch der Krieg macht nicht alle Menschen gleich – wie afrikanische Studierende derzeit in der Ukraine erleben müssen. Auf ihrer Flucht aus dem umkämpften Staat seien sie massiver rassistischer Diskriminierung durch Sicherheitskräfte ausgesetzt, berichten dunkelhäutige Studentinnen und Studenten gegenüber Journalisten und in sozialen Netzwerken.
Auf Twitter sind Szenen vom Bahnhof der westukrainischen Provinzstadt Lwiw zu sehen, auf dem sich vor den Türen zu Eisenbahnwaggons Trauben von Menschen gebildet haben. Während Ukrainer:innen in den Zug einsteigen können, werden Menschen mit dunklerer Haut abgewiesen. Mehrere junge Afrikaner werden sogar aus einem Waggon herauskomplimentiert. Ein nigerianischer Hochschulabgänger namens Simeon erzählt der Deutschen Welle, er sei von der 1000 Kilometer entfernten und heftig umkämpften Industriestadt Charkiw nach Lwiw gekommen: Weil er dort keinen Bus oder Zug habe nehmen können, habe er die 75 Kilometer zur polnischen Grenze zu Fuß zurücklegen müssen. Dort habe ihm ein ukrainischer Grenzbeamter mitgeteilt, dass Ausländer hier nicht abgefertigt würden.
Die nigerianische Medizinstudentin Ruqqaya erzählte im Sender BBC von ihrem elfstündigen Fußmarsch zum Grenzübergang von Medyka. Dort hätten zahlreiche afrikanische Studierende bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Freien schlafen müssen. Während „Busladungen voller Weißer“ abgefertigt worden seien, habe sie bis in die frühen Morgenstunden gewartet. Anderen Berichten zufolge setzten ukrainische Grenzbeamte sogar Schlagstöcke ein, um afrikanische Flüchtlinge zurückzutreiben. „Sie waren äußerst brutal“, sagte ein indischer Medizinstudent dem US-Sender CNN: „Ich sah völlig unterkühlte Menschen bewusstlos zusammenbrechen.“
Von den Berichten zeigt sich auch die Afrikanische Union (AU) alarmiert. „Sollten Afrikaner tatsächlich anders behandelt werden, ist das auf schockierende Weise rassistisch und ein Bruch des internationalen Rechts“, heißt es in einer Stellungnahme des Staatenbunds. Ein Sprecher der ukrainischen Grenzbehörde bestritt gegenüber CNN die rassistische Natur der Vorfälle. Die Beamten stünden angesichts der Flüchtlingsströme unter „riesigem Stress“, so Andriy Demchenko: „Mit Rassismus hat das nichts zu tun.“
Bis zur russischen Invasion studierten 75.000 Ausländer in der Ukraine – fast ein Viertel von ihnen stammen aus Afrika, vor allem aus Marokko (rund 8000), Nigeria (4000) und Ägypten (3500). Einen guten Ruf genoss das osteuropäische Land vor allem unter Studierenden der Medizin und des Ingenieurswesens; außerdem waren die Kosten moderat. Vereinzelt kam es auch zu Klagen über das Verhalten polnischer und ungarischer Grenzbeamter gegenüber afrikanischen Flüchtlingen. Beide Staaten werden von Regierungen geführt, die eine ausländerfeindliche Politik betreiben.