
Feminismus im Kapitalismus: Girls can do anything
Frankfurter Rundschau
Girlboss-Feminismus und die Selbstoptimierung durch Konsum. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Sportsfreunde, es ist Januar – der Monat der Selbstoptimierung durch Diäten, mühsamen Gang ins Fitnessstudio und Rauchstopp. Der gemeinsame Nenner? Jede:r ist seines/ihres (Un-)Glückes Schmied und somit für den eigenen (Miss-)Erfolg verantwortlich. Das Motto des Neoliberalismus sollte uns nicht fremd vorkommen. Überraschend scheint es trotzdem, dass Diskurse, die früher in abgegrenzten Räumen des sozialistischen Feminismus und desgleichen stattgefunden haben, in die gängige Debatte eingerückt sind – natürlich in einer Form, der jegliche Systemkritik geklaut worden ist.
Ich rede von dem sogenannten Girlboss-Feminismus: einem neoliberalen Versuch, sich durch Aneignung eines feministischen Sprachgebrauchs neu zu erfinden. Der gesellschaftskritische Aspekt, der dem Feminismus innewohnt, wird somit vollständig entschärft und durch eine binäre Vorstellung von Frauen in Führungspositionen ersetzt. Als Girlbosse müssen wir (Frauen) unsere Hobbys profitabel machen, wir müssen nur schwer arbeiten und wir werden gewinnen. Gewinnen heißt hier so etwas wie, Chef:in, Boss des eigenen Lebens oder sogar eines größeren Unternehmens zu werden. Egal. Alles erreichbar mit der richtigen Attitude. Girls can do anything.
So etwas wie systemische oder intersektionale Unterdrückungen gibt es in der Ideologie des neoliberalen „Feminismus“ nicht. Fehlen wird bei den Betroffenen selbst verortet, obwohl mittlerweile klar sein sollte, dass manchen mehr Hürden im Weg stehen als anderen.
Der Begriff Girlboss ist nicht mehr neu, nur bleibt der Gedanke in mehr oder weniger ironischer Form erhalten. Wo ein systemkritischer Feminismus die Bosse ganz und gar abschaffen würde, besagt die neoliberale Variante, dass Frauen sich die Macht nehmen sollten. Nicht durch Frauenquoten, sondern durch „harte Arbeit“, eine Phrase, die fast synonym mit angeborenen Privilegien verwendet werden kann.
Gleichzeitig scheint es sowohl infantilisierend als auch entmündigend, dass FLINTA-Personen mit Macht als Girls abgetan werden. Mit dem Konzept des Girlboss werden Frauen des 21. Jahrhunderts als gute Konsumsubjekte festgehalten. Wir werden damit abgespeist, uns selbst durch Konsum zu optimieren, damit keine Zeit mehr übrig bleibt, die Strukturen dahinter zu kritisieren.