Feliz Nadal
Frankfurter Rundschau
Es grenzt an ein kleines Wunder, dass Rafael Nadal schon wieder im Halbfinale von Melbourne steht. Wie macht der Mann das nur? Ein Kommentar.
In der Ruhmeshalle der Schmerzensmänner hat der Tennisspieler Rafael Nadal, 35, schon lange seinen Platz sicher. Von Anfang an waren sie da, die Schmerzen, und im Laufe der Jahre wurden sie zu einem treuen Begleiter, „Ich habe gelernt, mit ihnen zu leben. Aber es ist hart manchmal“, sagt der Spanier. Als Nadal 19 war, diagnostizierte ein Spezialist in der Heimat eine angeborene Fehlstellung des Kahnbeins im linken Fuß und befand, diese könne seine Profilaufbahn gefährden. Dank Spezialeinlagen und maßgeschneiderte Schuhe kam es bekanntlich anders. Nadal wurde zur Legende seines Sports, zum Sandplatzkönig, zum Grand-Slam-Rekordsieger. Er besiegte seine großen Rivalen, Roger Federer und Novak Djokovic und Andy Murray, er überwand auch seinen Körper, seine schmerzenden Knie und seinen Fuß, immer wieder den Fuß.
Nadal hat das Zurückkommen zur Routine gemacht oder es zumindest so erscheinen lassen. Aber dass er nun, bei den Australian Open in Melbourne, im Halbfinale steht, ist ein kleines Wunder, selbst für seine Maßstäbe. „Die wirkliche Wahrheit ist, dass wir vor zwei Monaten noch nicht wussten, ob wir überhaupt auf die Tour zurückkehren können“, sagte der Mallorquiner nach dem Fünfsatzsieg gegen den 13 Jahre jüngeren Denis Shapovalov im Viertelfinale: „Es ist ein Geschenk des Lebens, wieder Tennis spielen zu können.“
Wegen des Fußes hatte Nadal den Großteil des Tennisjahres 2021 verpasst, und in der Vorbereitung aufs neue Jahr handelte er sich eine Corona-Infektion ein, die ihn im Dezember einige Tage heftig durchschüttelte. Schlechte Voraussetzungen für das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres, die Australian Open. Aber wie sagte Boris Becker schon während der ersten Runden? Wer Nadal nicht zum Favoritenkreis zähle, „der versteht nichts vom Tennis.“
Beim Halbfinale am Freitag gegen den Italiener Matteo Berretini (Weltranglisten-7.) wandelt Nadal mehr denn je auf den Pfaden der Tennisgeschichte. Mit einem Triumph in Melbourne würde er zum alleinigen Grand-Slam-Rekordhalter aufsteigen, noch steht er bei 20 Major-Siegen, wie Roger Federer und Novak Djokovic. Doch Federer ist nach diversen Knieoperationen seit Längerem abwesend von der Tour, es ist ungewiss, wann und wie der 40-Jährige zurückkehrt und ob überhaupt. Djokovic steht zwar voll im Saft, sich aber auch selbst im Weg mit seiner ablehnenden Haltung zum Impfen, die ihm die Teilnahme an den Australian Open kostete. Sollte der streitbare Serbe ungeimpft bleiben, würde er auch beim zweitem Slam des Jahres, den French Open, außen vor bleiben. Und womöglich in Wimbledon. Und sehr sicher bei den US Open im Herbst. Und Rafael Nadal könnte in der Zwischenzeit neue, harte Fakten im Rennen um die Krone des erfolgreichsten Tennisspielers schaffen.
Der Weg dorthin ist unergründlich, schmerzhaft und bisweilen überraschend. Auf die Frage nach seinen Muskeln antwortete Kraftprotz Nadal dieser Tage in Melbourne, er sei kein Typ für den Fitnessraum: „Ich spiele Golf.“