
Fast zwei Jahre Haft für „Ella“: Tumulte im Gericht – Richter spricht von „totalitärem Verhalten“
Frankfurter Rundschau
Das Gericht sieht es als erwiesen, dass Umweltaktivistin „Ella“ einen Polizisten angriff. Nach dem Urteil kommt es zu Tumulten im Gericht.
Frankfurt – Ein Jahr und neun Monate für die Umweltaktivistin „Ella“. Mit diesem Urteil hatten die Unterstützer und die Verteidigerinnen der Umweltaktivistin wohl nicht gerechnet: Der Vorsitzende Richter der dritten kleinen Strafkammer am Landgericht Gießen, Johannes Nink, sprach die Angeklagte schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen einen Vollstreckungsbeamten. Im Anschluss daran kam es zu tumultartigen und lautstarken Gesängen und „Free Ella“-Rufen im Zuschauersaal, der daraufhin von der Polizei geräumt wurde. Die Proteste waren so lautstark, dass die Begründung des Richters teilweise darin unterging und er daraufhin die mündliche Urteilsbegründung abkürzte.
Das Gericht sah sowohl den Fußtritt gegen den Helm eines SEK-Beamten wie auch den Kniestoß gegen einen weiteren Beamten als erwiesen an. Der Richter folgte damit im Wesentlichen dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Alsfeld, allerdings wurde das Strafmaß um sechs Monate gesenkt. Damit wurde die Berufung der Angeklagten verworfen. Ihr bleibt nur noch die Möglichkeit, gegen dieses Urteil binnen einer Woche Berufung einzulegen.
Der Richter zeigte sich deutlich enttäuscht über die aus seiner Sicht mangelnden Kooperationsbereitschaft der Angeklagten, die bis dato sich weigert, ihre Identität preiszugeben. Er widersprach auch der Auffassung der Verteidigung, dass es sich bei der Räumung um eine rechtswidrige Aktion gehandelt habe und sich die Angeklagte daher in einer Notwehrsituation befunden habe. Die Angeklagte postuliere für sich rechtsfreie Räume, die die staatliche Gewalt ausschließen würde. „Das ist ein totalitäres Verhalten. Ein Angriff auf den Rechtsstaat. Klimaschutz ist kein Verbrechen, aber im Rahmen des Gesetzes“, sagte er dazu.
Zuvor hatten die beiden Verteidigerinnen Waltraut Verleih und Eva Dannenfeldt auf Einstellung des Verfahrens plädiert, aufgrund von behebbaren Verfahrenshindernissen. Sie bemängelten insbesondere, dass keine Ermittlungen herangezogen worden seien, die zur Entlastung der Angeklagten beigetragen hätten, obwohl laut Gesetz die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet sei.
Sie hatten wenigstens auf eine Äußerung dahingehend gehofft, dass das Verfahren „suboptimal“ verlaufen sei. Stattdessen habe man das Verfahren ausgesessen, ohne zur Kenntnis zu nehmen, was zur Entlastung vorgetragen worden sei. „Das ist ein Skandal“, betitelte Verleih die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft. Stattdessen habe die Staatsanwaltschaft die Taten zu einem Anschlag auf den Rechtsstaat gemacht. Insgesamt sei eine Verurteilung nicht notwendig und damit Berufungsverfahren vermeidbar gewesen. Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht.