
"Fahren nicht in Land, das Aggressionskrieg ausgelöst hat"
RTL
Helmut Marko hat in Österreich schon den Jugoslawien-Krieg aus der Nähe verfolgt. Deshalb macht er sich auch vor dem F1-Saisonstart viele politische Gedanken.
Für die Formel 1 stand offenbar schon wenige Stunden nach Russlands Invasion in die Ukraine außer Frage: Der eigentlich für Ende September geplante Russland Grand Prix, er wird dieses Jahr sicher nicht stattfinden. Nachdruck für diese Entscheidung durch Seiten der Teams? Das hat es laut Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko Ende vergangener Woche gar nicht gebraucht. "Das war auch von unseren Fahrern ganz klar: Sie wollen nicht in einem Land fahren, das einen derartigen Aggressionskrieg ausgelöst hat", erklärte er im Interview mit RTL/ntv. Keine drei Wochen vor dem Saisonstart der Königsklasse ist auch Marko mit den Gedanken immer wieder in der Ukraine, beschäftigt sich intensiv mit dem Krieg in Europa – und macht kein Geheimnis aus seinen Sorgen und Gedanken.
"Ich dachte schon mit der Corona-Pandemie, dass uns das komplett aus den Fugen gebracht hat. Und nun ein Krieg", sagt der 78-jährige Österreicher nachdenklich. "Von Österreich ist die Grenze zur Ukraine nur rund 450 Kilometer entfernt. Dass es zu so etwas kommen kann, ist eigentlich unvorstellbar gewesen. Und wenn man dann noch die Brutalität sieht, mit der vorgegangen wird, und auch die Drohgebärden, dann ist das schon sehr, sehr erschreckend."
Marko erinnert an die "unglaublichen Grausamkeiten" vom Jugoslawien-Krieg, der vor 30 Jahren begann. Und er weiß aktuell auch: "Man muss sich Sorgen machen. Wenn man Putins Ansprachen, seine Gesten, sein Gehabe im Fernsehen anschaut und analysiert, dann ist das schon sehr, sehr beunruhigend. Vor allem: Er hat alle Macht, er ist unter keiner Kontrolle."
Trotzdem hofft Marko auf den Erfolg der Sanktionen und der "Friedensgespräche, die hoffentlich weitergeführt werden". Damit sie den Krieg beenden, "ohne dass es zum Zusammenbruch und der Auslöschung der Demokratie in der Ukraine kommt". Bedeutende Worte der Formel-1-Größe.
Marko betont aber auch: "Was jetzt glaube ich das Positive ist, das ist der Zusammenhalt innerhalb Europas. Dass man hier zeigt 'so geht es nicht'. Und ich kann nur all die Sanktionen und Unterstützungsmaßnahmen voll verstehen und auch selbst unterstützen."
In der F1 sind Investitionen unabdingbar, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Damit kennt sich der Motorsportberater aus. Und so äußert Marko mit Blick auf die fehlenden Investitionen ins Militär auch Kritik am bisherigen Verhalten der EU-Länder: "Ich glaube wir müssen uns in Europa auch kritisch sehen. Dass wir die Ausgaben für das Militär sträflichst vernachlässigt haben. Dass wir alle geglaubt haben, wir leben in einem kriegsfreien Zustand, wir können uns verlassen auf Rechtsvorschriften und -verordnungen."
Dass der Sport nun "weltweit auf dieser Linie" mitzieht, Russland für den Krieg zu bestrafen, hält Marko für absolut richtig. "Ich glaube, es ist die einzige richtige Art. Sport ist ja eine Möglichkeit, sich darzustellen und sich zu profilieren. Und es wäre nur kontraproduktiv, wenn wir Russland jetzt die Chance geben würden, sich mit einem GP weltweit wieder positiv zu positionieren."
Über die Trennung von F1-Rennstall Haas von Hauptsponsor Uralkali ist Marko derweil auch so kurz vor Saisonstart nicht verwundert – auch wenn es um eine große Millionensumme geht, die dem US-Team damit fehlt. "Mit den ganzen Maßnahmen des eingeschränkten Zahlungsverkehrs wäre ein weiteres Finanzieren gar nicht möglich. Damit hat sich das glaube ich von allein erledigt." (lgr/ana)