Für Olaf Scholz tickt die Uhr
n-tv
Auf ein katastrophales Jahresende folgt ein entmutigender Start 2024: Das Ansehen von Olaf Scholz ist so schwer beschädigt, dass seine Wiederwahlchancen rasant schwinden. Ihm bleibt nur noch das laufende Jahr für die Trendwende - doch nichts deutet darauf hin, dass ihm dies gelingen könnte.
Olaf Scholz hat sein letztes vollständiges Regierungsjahr mit einer Rechtfertigung begonnen: "So geballt, so Schlag auf Schlag habe ich das alles noch niemals erlebt", hätten ihm viele Menschen über die dichte Aufeinanderfolge an Krisen gesagt, berichtete der Bundeskanzler in seiner Neujahrsansprache. Im Folgenden stellte Scholz einmal mehr dar, wie gut Deutschland dennoch durch Corona, Kriege und Energiepreiskrise gekommen sei. Der Subtext: "auch dank meiner Regierung". Dass alles nicht noch viel schlimmer gekommen sei, ist die Erfolgsstory der Ampel. Scholz und seine Regierungsmitglieder tragen sie seit Monaten mantrahaft vor. Allein, die Menschen überzeugt das nicht: Das Ansehen der Koalition ist am Boden, die Unzufriedenheit mit dem Bundeskanzler hat historische Ausmaße.
Unbestritten waren die Herausforderungen für die Scholz-Truppe von Tag eins an groß und darüber ist die Regierungszeit wie im Fluge vergangen. Mit Beginn der zweiten Hälfte ihrer Legislaturperiode biegt die Ampel schon auf die Zielgerade ein, denn nach 2024 wird die Koalition nichts Wesentliches mehr reißen können. Kein im Wahljahr 2025 verabschiedetes Gesetz wird noch einen spürbaren Effekt auf die ökonomische Gesamtlage am Tag der Bundestagswahl haben. Zudem wird der nahende Wahlkampf spätestens ab dem Frühjahr 2025 auch alles Regieren überschatten. Will Scholz das Ruder für sich und seine SPD noch einmal herumreißen, dann muss es ihm in den angebrochenen zwölf Monaten dieses Jahres gelingen. Das Problem: Diese könnten noch schwieriger werden als die ersten zwei Regierungsjahre.
Am 9. Juni steht nicht nur eine denkbar schwierige Europawahl an, sondern Scholz' SPD drohen auch bei den Kommunalwahlen in acht Bundesländern am selben Tag schmerzhafte Verluste. Am 1. September könnten die Sozialdemokraten aus dem sächsischen Landtag fliegen, während die AfD dort sowie im benachbarten Thüringen stärkste politische Kraft werden dürfte. Drei Wochen darauf könnte SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke bei den Landtagswahlen in Brandenburg sein Amt oder zumindest die Möglichkeit zur stabilen Regierungsbildung verlieren. In der zweiten Jahreshälfte 2024 soll zudem ausgerechnet das vom Putin-Kumpel Viktor Orbán regierte Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, während die USA auf eine zweite Präsidentschaft des (bestenfalls) unberechenbaren Donald Trump zusteuern.