Experten warnen vor Gas-Embargo gegen Russland
ProSieben
Mit dem Importverbot für russische Kohle will die EU Russland für den Krieg gegen die Ukraine bestrafen. Folgen im nächsten Schritt Embargos für Öl und Gas? Experten warnen vor derlei Schritten - und bringen eine Alternative ins Spiel.
Energie-Experten haben vor schweren wirtschaftlichen Folgen eines Lieferstopps für russisches Gas in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine gewarnt. "Ein volles Embargo würde eine sofortige Rezession in Europa auslösen, die Inflation würde weiter steigen und die Innenpolitik noch schwieriger werden", sagte der Ökonom Simone Tagliapietra von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel der Deutschen Presse-Agentur. Er schlägt stattdessen vor, Zölle auf russische Energie einzuführen, um weiter Druck auf Russland auszuüben.
Raphael Hanoteaux von der Organisation E3G sagte mit Blick auf ein Gasembargo: "Die deutsche Industrie zum Beispiel würde ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren." Grund dafür seien Schließungen in der Industrie und noch höhere Preise. Aus der Pharmaindustrie wurde die Sorge geäußert, ein schneller Stopp von Gaslieferungen aus Russland könne die Produktion lebenswichtiger Medikamente gefährden.
Die Vorstandschefin des Herstellers Merck, Belén Garijo, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag), man benötige eine erhebliche Menge an Erdgas, vor allem zur Erzeugung von Strom und Prozessdampf. "Im Falle einer kurzfristigen Energie- und/oder Gasknappheit riskieren wir daher die Produktion und Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten und kritischen Produkten für die Entwicklung und Herstellung von Biologika und Covid-Impfstoffen."
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie geht davon aus, dass Pharma als kritische Infrastruktur gesehen werde. "Wir erwarten, dass mögliche Restriktionen in unserer Branche zuletzt oder gar nicht kommen", forderte Verbandschef Hans-Georg Feldmeier.
Ab Anfang August gilt ein Embargo gegen russische Kohle, auf das sich die EU-Länder diese Woche geeinigt haben. Schätzungen von Tagliapietra zufolge gibt die EU derzeit täglich 15 Millionen Euro für Kohle aus Russland aus, aber noch viel mehr für russisches Gas - etwa 400 Millionen Euro pro Tag - sowie 450 Millionen Euro für Öl aus dem Land. Daher fordern etwa Polen und die baltischen Länder weitreichendere Maßnahmen.