Experte warnt vor Spielsucht: "Der Kick beim Zocken ist wie Kokain-Konsum"
RTL
Eine neue Gesundheitsstudie ist besorgniserregend: Immer mehr Kinder und Jugendliche rutschen in die Spielsucht. So wie der 14-jährige Kai.
Während der Corona-Pandemie sind immer mehr Kinder und Jugendliche in die Online-Spielsucht gerutscht - dieses Ergebnis einer neuen Gesundheitsstudie lässt bei Suchtexperten die Alarmglocken schrillen. Denn: Eltern sind oft ahnungslos und bemerken das Problem zu spät.
In einer RTL/Forsa-Umfrage haben zwar 47 Prozent der befragten Eltern angegeben, dass sie wissen, welche Spiele ihre Kinder spielen, genauso viele wissen es aber nicht genau. 6 Prozent der befragten Väter und Mütter gaben sogar zu, überhaupt nicht Bescheid zu wissen. Auch bei den Bildschirmzeiten gibt es große Unterschiede. In meiner neuen Reportage treffe ich einen 14-jährigen Jungen, der wegen seiner Online-Spielsucht sogar in eine psychiatrische Klinik musste. Außerdem besuche eine spezielle Beratungsstelle für Mediensucht in Hannover. Die ganze Reportage sehen Sie im Video.
Ich habe so mit 12 Jahren angefangen zu spielen und verbringe auch jetzt noch regelmäßig Zeit vor der Spielekonsole. Allerdings hat es bei uns zu Hause von Anfang an klare Regeln und Zeitlimits gegeben. Heute, mit 17, sehe ich das vielleicht entspannter als damals in der ein oder anderen Situation. Ich weiß selbst, wie sehr einen gute Spiele fesseln können. Aber ich will erfahren, was echte Sucht bei Jugendlichen bedeutet.
Dazu besuche ich die Beratungsstelle "Return" in Hannover, die auf Online-Spielsucht bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist. Reemt Itzenga ist psychologischer Berater hier. Der Therapeut unterscheidet zwischen der Partyzone und der Kontrollzone. Gerade vor und während der Pubertät sei das Gehirn vor allem auf Spaß programmiert statt auf Kontrolle und Vernunft. Für klare Regeln seien daher die Eltern verantwortlich. Er hält es für total wichtig, ständig im Austausch zu bleiben. Wie genau Eltern das am besten anstellen, erklärt er im Video.
Was erst mal unglaublich klingt, hat der 14-jährige Kai tatsächlich durchgezogen und dabei sogar das Essen, Trinken und Waschen vergessen. Der Schüler habe meist heimlich gezockt und sich dafür sogar nachts den Wecker gestellt, erzählt er mir im Interview in seinem Zimmer. "Dabei habe ich maximal eine Stunde geschlafen." Den Schlaf habe er dann in der Schule nachgeholt, bis die Situation eskaliert und den Eltern klar geworden sei, was hier los ist.
Kai (14) habe sich zunächst nichts dabei gedacht, aber die vermeintlichen Freunde aus dem Spiele-Chat sollten sich später als erwachsene Männer entpuppen. Weil er nachts so viel online war, kam es zu dubiosen Chat-Freundschaften. "Die haben mir dann Fotos und Videos von sich geschickt, und ich sollte das dann auch machen", so Kai. Er versichert mir aber auch, dass er selbst nie so etwas von sich verschickt habe.
Aufgeflogen sei das Ganze, als Kais Vater den Chatverlauf in der entsprechenden App zur Spielekonsole kontrolliert habe. "Der hatte fast 140 Freunde mit den seltsamsten Namen. Wir haben uns gefragt, woher er die alle kennt und ihn zur Rede gestellt." Dabei finden sie auch Nacktfotos von fremden Männern auf seinem Smartphone. "Wir haben dann Anzeige erstattet, und die Polizei hat uns erklärt, dass Kai wohl an einen Pädophilenring geraten ist."
Diese Schocknachricht sitzt immer noch tief. Kais Mutter muss in unserem Interview immer wieder weinen. Mehrfach kassieren die Eltern den Computer ein und erteilen Spielverbote, auch vorher schon. Sogar mit zur Arbeit nimmt der Vater die Konsole und die Controller, damit Kai sich die Sachen nicht wieder heimlich ins Zimmer holt. Oft nutzt er die Situation aus, weil beide Eltern berufstätig sind.