Evangelische Kirchen betroffen nach Missbrauchsstudie
n-tv
Dass es sexualisierte Gewalt nicht nur in der katholischen Kirche gab, war lange bekannt. Wie sehr die Strukturen in der evangelischen Kirche solche Taten begünstigten, hat nun eine Studie untersucht. Auch in Baden und Württemberg reagieren Kirche und Diakonie.
Hannover/Stuttgart (dpa/lsw) - Die Studie zu sexualisierter Gewalt und Missbrauch in der evangelischen Kirche hat auch in Baden-Württemberg Betroffenheit ausgelöst. "Wir müssen uns den erschütternden Geschichten der Betroffenen stellen", erklärten die badische Landesbischöfin Heike Springhart und der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Baden, Urs Keller, am Donnerstag in Karlsruhe. "Auch in unserer Kirche und Diakonie war der Umgang mit Übergriffen und sexualisierter Gewalt lange Zeit von Versagen und Wegsehen geprägt." Das Vertrauen der betroffenen Personen sei auf schreckliche Weise missbraucht worden.
Die badische Landeskirche hatte für die Studie im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach Aktenlage 88 Beschuldigte und 178 betroffene Personen anonymisiert gemeldet. Die Fälle sexualisierter Gewalt hätten zwischen 1946 und 2020 in Gemeinden und Einrichtungen von Kirche und Diakonie stattgefunden.
Der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl bat alle Kirchenmitglieder und Mitarbeitenden: "Tragen Sie Ihren Teil dazu bei, dass bei sexualisierter Gewalt nicht weggesehen wird oder Meldungen überhört werden." Es gebe klare Leitlinien, wie mit Hinweisen oder Vermutungen von sexualisierter Gewalt umzugehen sei. "Der Schutz derer, die uns in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und in der Pflege anvertraut sind, steht an oberster Stelle", erklärte Gohl. "Wir müssen an einer Kultur der Grenzachtung arbeiten, die auch Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse thematisiert."