Europarat leitet Strafverfahren gegen Türkei ein
DW
Der Fall um den inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala könnte die Türkei und den Europarat endgültig entzweien. Einen wirtschaftlichen Schaden trägt Ankara schon jetzt davon.
Der Europarat hat wegen der anhaltenden Inhaftierung des türkischen Kulturförderers und Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala ein Strafverfahren gegen die Türkei eingeleitet. Das Ministerkomitee mit Vertretern der 47 Mitgliedsstaaten forderte in Straßburg die Regierung in Ankara zugleich auf, bis zum 19. Januar ihren Standpunkt darzulegen, wie das Gremium mitteilte.
Doch die politische Führung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt sich hartleibig: Die anhaltende Inhaftierung Kavalas sei eine Sache der "unabhängigen Justiz" in der Türkei, bekräftigte sie jüngst. Ankara ermahnte den Europarat, auf jegliche "Einmischung" in türkische Justizangelegenheiten zu verzichten.
"Aus Rücksicht auf das laufende Gerichtsverfahren fordern wir den Europarat auf, keine Entscheidung zu treffen, die eine Einmischung in die unabhängige Justiz darstellen würde", heißt es aus dem türkischen Außenministerium.
Kavala sitzt bereits seit mehr als vier Jahren ohne Verurteilung in Haft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits im Dezember 2019 Kavalas Freilassung angeordnet, doch wurde das Urteil von der türkischen Regierung ignoriert. Im Oktober drohte der Europarat, dessen Mitglied die Türkei ist, Schritte gegen Ankara einzuleiten, sollte der inzwischen 64-jährige Mäzen nicht vor dem nächsten Treffen der Organisation am 30. November freikommen.
Ein Gericht in Istanbul setzte sich über die Forderungen erneut hinweg und verlängerte vier Tage vor Ablauf der Frist Kavalas Untersuchungshaft. Seit Dienstag beriet das Ministerkomitee des Europarats in Straßburg über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens.