Europa lockert, Deutschland streitet
Süddeutsche Zeitung
Während die Corona-Restriktionen in immer mehr Ländern fallen, herrscht in Berlin Dissens: Kanzler Scholz will an den Beschränkungen vorerst festhalten, FDP-Chef Lindner verlangt deren Ende.
Mitten in der sich immer weiter aufbauenden Omikron-Welle sendet die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP widersprüchliche Signale über den weiteren Weg durch die Pandemie. Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch keinen Spielraum für Lockerungen sieht, hat sich FDP-Chef Christian Lindner an die Spitze derer gestellt, die die strengen Kontaktbeschränkungen bundesweit zügig abschaffen wollen.
Lindner plädierte am Donnerstag für schnelle Öffnungsschritte, darunter die bundesweite Abschaffung der 2-G-Regel im Einzelhandel. Deutschland solle sich "an dem liberalen Weg aus Schleswig-Holstein orientieren", twitterte Lindner, man brauche "nicht die strengsten, sondern die effektivsten Vorschriften". Schleswig-Holstein hat die 2-G-Regel gekippt; Lindners FDP regiert in Kiel mit der CDU und den Grünen, im Mai stehen Neuwahlen an.
Kinderärzte, Hebammen und Sozialarbeiter an Gesundheitsämtern hätten wichtige Aufgaben. Stattdessen haben sie mit Corona-Meldungen und ächzender Software zu tun. Besuch in einer Behörde, in der die Kräfte schwinden. Von Berit Uhlmann
Scholz hatte zuvor die strengen 2 G, 2 G plus und 3-G-Regeln verteidigt, sie seien "die Voraussetzung" dafür, dass über Lockerungen beraten und entschieden werden könne, wenn der Höhepunkt der Infektionen überschritten sei. "Aber da sind wir leider noch nicht angekommen", sagte Scholz am Mittwochabend im ZDF.
Die Debatte über stufenweise Öffnungen nimmt in Deutschland an Fahrt auf, entsprechende Forderungen kommen aus Bundesländern wie Hessen und Bayern, aber auch von Ärzten und Krankenhäusern. Bund und Länder wollen am 16. Februar darüber beraten. Unterdessen hat die Ständige Impfkommission (Stiko) am Donnerstag den Impfstoff Novavax zur Grundimmunisierung von Personen ab 18 Jahren empfohlen, er soll von 21. Februar an verfügbar sein. Die Stiko empfahl zudem eine zweite Auffrischungsimpfung für ältere Menschen ab 70 Jahren und besonders Gefährdete.