EU will unbegrenzt Ukraine-Flüchtlinge aufnehmen
DW
Alle Kriegs-Flüchtlinge aus der Ukraine werden aufgenommen, verspricht die EU. Alle? Oder nur Ukrainer? Auch afrikanische Studenten aus Kiew, die nach Polen wollen, sind gemeint, stellt die EU klar.
"Ich weiß nicht, wie viele kommen werden", antwortete die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson beim Sondertreffen der EU-Innenministerinnen und Innenminister in Brüssel auf die Frage, mit welchem Zustrom an Flüchtlingen aus der Ukraine sie rechnet. "Ich denke, wir werden uns auf Millionen vorbereiten müssen." Bis zum Sonntag, also vier Tage nach dem russischen Angriff, seien 200.000 Menschen, hauptsächlich Kinder, Frauen und ältere Männer nach Polen eingereist, teilte der polnische Grenzschutz mit. Wehrfähige Männer müssen in der Ukraine bleiben. Schätzungen der Vereinten Nationen und von Flüchtlingsorganisationen gehen von vier bis sieben Millionen Menschen aus, die vor dem russischen Einmarsch fliehen werden. Wie viele dann tatsächlich über die Grenzen nach Westen wollen, hängt ganz von der Entwicklung der militärischen Lage in diesem Krieg ab. Wie lange sie bleiben wollen oder müssen, hängt davon ab, wer diesen Krieg gewinnt oder beendet. Falls Russland seine Angriffe irgendwann einstellt und abzieht, könnten die Familien auch schnell wieder zu ihren Vätern, Söhnen und Brüdern zurückkehren, glauben EU-Beamte.
Klar ist nur, dass die zu erwartenden Einreisen den sogenannten "Flüchtlingssommer" von 2015 bei Weitem überschreiten werden. Damals kamen rund eine Million Flüchtlinge und Asylsuchende aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet über Griechenland nach Mitteleuropa, vornehmlich nach Deutschland. Die EU-Mitgliedsstaaten sind bis heute nicht in der Lage gewesen, einen solidarischen Verteilmechanismus für solche Flüchtlingsströme zu finden. Der Rechtslage nach sind die Staaten der Erst-Einreise zuständig. Nationalkonservative Staaten wie Polen, Ungarn oder Österreich weigerten sich, überhaupt Asylsuchende aufzunehmen. Die Solidarität in der Migrationsfrage ist der größte Zankapfel in der EU gewesen. Doch das ändert sich jetzt.
"Es ist zum ersten Mal wieder Krieg in Europa und das führt auch bei den Mitgliedsstaaten zu einem anderen Denken", sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser beim Treffen mit ihren Kollegen in Brüssel. Sie sehe einen "totalen Paradigmenwechsel". Alle Flüchtlinge aus der Ukraine seien willkommen, versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Jeder wird mit offenen Armen empfangen, der vor Putins Bomben fliehen muss." Das Versprechen "refugees welcome" war 2015 auch auf vielen Plakaten in Deutschland und anderen Staaten zu lesen. Doch die Stimmung änderte sich bald, je mehr die Zahlen wuchsen.
Diesmal sind die Voraussetzungen anders, weil unmittelbare Nachbarn vor einem Krieg fliehen, den Europa so nicht mehr für möglich gehalten hat. Die allermeisten Menschen aus der Ukraine kommen in Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien bei Verwandten oder Privatpersonen unter. Sammelunterkünfte in Polen würden - noch - kaum genutzt, heißt es von den polnischen Behörden.
Aus Afrika stammende Flüchtlinge, die in der Ukraine lebten und nach Polen ausreisen wollten, wurden an der Grenze von polnischen Grenzschützern schikaniert oder abgewiesen. Eine Mitarbeiterin des südafrikanischen Außenministeriums twitterte, südafrikanischen Studenten sei an der ukrainisch-polnischen Grenze übel mitgespielt worden. Mitarbeiter afrikanischer Botschaften versuchen, ihren Landsleuten an den polnischen Grenzübergängen die Einreise aus der Ukraine zu ermöglichen.