EU-Kommission will Asylregeln an Belarus-Grenze zeitweise aufheben
DW
Seit Monaten versuchen Tausende Menschen, von Belarus nach Polen oder in Balten-Staaten zu gelangen. Nun will die EU-Kommission Polen, Lettland und Litauen erlauben, einige Schutzrechte von Migranten vorerst auszusetzen.
Angesichts der krisenhaften Lage an der Grenze zu Belarus haben der Vize-Präsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, und die für Migration zuständige Kommissarin Ylva Johansson einen Vorschlag zur Lockerung mehrerer EU-Asylregeln vorgelegt. Er ermöglicht es den betroffenen Ländern, Abschiebungen zu vereinfachen und den Asylprozess zu verlängern. Die Maßnahmen sollen zunächst für sechs Monate gelten. "Grundrechte werden nicht angefasst", versicherte Johansson.
Der Vorschlag sieht vor, dass die Behörden der Grenzländer länger Zeit haben, um Asylanträge zu registrieren – vier Wochen statt wie bislang maximal zehn Tage. Der Asylprozess dürfte nach dem Willen der Kommission bis zu 16 Wochen dauern. Während dieser Zeit werden die Menschen in der Regel in Auffangzentren nahe der Grenze untergebracht. Außerdem schlug die EU-Kommission "schnelle und vereinfachte" Rückführungen von Migranten vor, deren Asylgesuch abgelehnt wurde.
Auch die materiellen Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende könnten Polen, Lettland und Litauen im Rahmen der Maßnahmen herabsetzen. Allerdings müssten sie stets die Grundrechte und speziellen Garantien im EU-Recht beachten, darunter das Kindeswohl und Nöte verletzlicher Personen, erklärte die Kommission. Es handelt sich um Ausnahmeregelungen, die der Rat der Mitgliedstaaten noch annehmen muss. Das Europaparlament wird lediglich konsultiert.
Gedeckt ist das Vorhaben demnach durch Artikel 78.3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dieser ermöglicht vorläufige Maßnahmen, wenn "ein oder mehrere Mitgliedstaaten aufgrund eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen in einer Notlage" sind.
Die Ankündigung wurde von Menschenrechtlern kritisiert. "Dieser Vorschlag schwächt die Grundrechte von Asylsuchenden", sagte Erin McKay von der Organisation Oxfam. "Menschen, die in Europa Schutz suchen, zu stoppen, festzunehmen und zu kriminalisieren, bricht internationales Recht und europäisches Asylrecht." Die Organisation Pro Asyl nannte den Vorschlag "zutiefst beunruhigend". "Das Paket zeigt, dass die Hardliner in Europa mittlerweile die Brüsseler Agenda bestimmen."