
EU-Gipfel: Scholz in der Defensive
DW
Der Bundeskanzler lobt die Einigkeit der EU in der Ukraine-Politik, während er international wegen Zauderns bei Waffenlieferungen angegriffen wird. Ein Öl-Embargo gegen Russland scheitert derweil weiter an Ungarn.
Olaf Scholz zeigte sich zum Auftakt des Gipfeltreffens in Brüssel ungewöhnlich gesprächig und optimistisch. Europa habe bereits gezeigt, dass es gemeinsam gegen die russische Aggression in der Ukraine handeln könne und er sei zuversichtlich, dass es auch so bleiben werde, erklärte der Bundeskanzler. Damit widerspricht er jenen, die tiefer werdende Risse in der europäischen Einigkeit sehen wollen. Scholz zeigte sich sogar optimistisch hinsichtlich eines Kompromisses beim aufgeschobenen Öl-Embargo.
Es ist bei Gipfeltreffen verpönt, dass die Regierungschefs sich gegenseitig offen kritisieren. Sogar der ungarische Premier Viktor Orban, der ein wochenlanges Polittheater um seine Zustimmung zum Ölembargo gegen Russland aufführt, wird verschont. Da lässt sich allenfalls aus den Bemerkungen des Letten Arturs Karins ableiten, dass er mit der Richtung der gemeinsamen Politik nicht glücklich ist: "Erst wenn Russland besiegt ist, können wir uns in Europa sicher fühlen." Die baltischen Länder sind neben Polen die größten Kritiker von Vorschlägen, für eine Einigung und einen Waffenstillstand mit Präsident Putin auch Gebietsverluste in Kauf zu nehmen.
Ein Blick in die internationale Presse aber müsste Olaf Scholz aufgeschreckt haben. Die britische Zeitung "The Times" attestiert ihm am Montag in einem Leitartikel, Deutschland erscheine als klarer Verlierer in der diplomatischen Arena. "Deutschlands Zögerlichkeit bei der Lieferung von Waffen und Hilfe für Kiew und seine Zweideutigkeit bei den Bedingungen für einen Waffenstillstand und das Kriegsende sind für Verbündete und viele Deutsche eine Quelle der Frustration geworden." Der Mangel an entschlossener Führungskraft in Berlin ermutige Putin und die widersprüchlichen Botschaften gegenüber der Ukraine verschlechterten die Sicherheitslage.
Ähnlich kritische Kommentare waren auch schon in anderen einflussreichen Medien und bei internationalen Thinktanks zu lesen und zu hören. "Zu Beginn dieser Krise schien es Olaf Scholz' Strategie zu sein, so wenig wie möglich so spät wie möglich zu tun, um nicht auf der falschen Seite der Geschichte zu landen", kritisierte Jessica Berlin vom German Marshall Fund. Der polnische Präsident Andrzej Duda wiederum wunderte sich öffentlich, warum der Ringtausch bei Panzern, die Warschau an die Ukraine geliefert hatte, nicht klappen würde. Deutschland habe die Ersatzlieferung an Polen doch versprochen.
Am Wochenende erntete Olaf Scholz dann einen Twittersturm, als er beim Katholikentag zum Krieg in der Ukraine eher philosophische Fragen aufzuwerfen schien.